Als sich ein 58-jähriger Mann mit einer Rötung des rechten Auges und Schmerzen in der Notaufnahme vorstellt, beginnt für die Ärzte eine detektivische Suche nach der Ursache. Dabei müssen sie die Diagnose mehr als nur einmal korrigieren.
Ein 58-jähriger Mann stellt sich nach zwei Tagen mit einer fortschreitenden Rötung des rechten Auges und Schmerzen in der Notaufnahme vor. Der Visus beträgt 20/400 rechts und 20/20 links, der Augeninnendruck liegt bei 51 mmHg rechts und 17 mmHg links. Bei der Spaltlampenuntersuchung entdecken die Ärzte eine starke konjunktivale Injektion, ein Hornhautödem und Fibrin auf dem Endothel. Die vordere rechte Augenkammer erscheint tief mit einer fibrinösen Reaktion.
Da der Patient auf eine medikamentöse Therapie des erhöhten Augeninnendrucks nicht anspricht und zudem Übelkeit und Kopfschmerzen entwickelt, entscheiden sich die Ärzte für eine Parazentese der vorderen Augenkammer. Obwohl sich daraufhin der Visus auf 20/70 verbessert, ist der Augeninnendruck mit 43 mmHg nach wie vor erhöht. Wegen des Verdachts auf eine herpetische Keratokonjunktivitis starten die Ärzte eine Initialtherapie mit Valaciclovir und lokalem Prednisolonacetat.
Am nächsten Tag verschlechtert sich der Zustand des Patienten erneut: Der Visus fällt auf 20/300 und der Augeninnendruck beträgt 54 mmHg. Zusätzlich finden die Ärzte ein 4 Millimeter großes Hypopyon – eine Ansammlung von Eiter in der Vorderkammer des Auges. Eine Ultraschalluntersuchung (B-Bild) zeigt zudem eine vordere Vitritis. Daraufhin führen die Ärzte eine Punktion der vorderen Augenkammer durch und injizieren Vancomycin und Ceftazidim wegen des Verdachts auf eine Endophthalmitis. Darüber hinaus geben sie stündlich antibiotische Augentropfen. Als am folgenden Tag der Visus trotz aller Maßnahmen weiter gesunken und das Hypopyon weiter gewachsen ist, starten sie eine Therapie mit Prednison.
Kurz darauf finden die Ärzte im Punktat der vorderen Augenkammer den entscheidenden Hinweis auf die Ursache des Problems: Ein Wachstum vom grampositiven Stäbchenbakterium Listeria monocytogenes. Der Erreger wird normalerweise durch kontaminierte Nahrungsmittel übertragen und kann sich auch trotz Kühlung im Kühlschrank vermehren. Infizierte Personen zeigen Symptome wie Fieber, Muskelschmerzen und gelegentlich gastrointestinale Beschwerden. Allerdings kann es äußerst selten – wie im vorliegenden Fall – auch zu endogenen Infektionen kommen. Hierfür überquert der Erreger die Blut-Augen-Schranke und vermehrt sich dann intraokular. Aufgrund der ähnlichen Symptomatik zu vielen anderen Krankheiten des Auges, ist die durch Listerien hervorgerufene Endophthalmitis sehr schwierig zu diagnostizieren und bedarf stets eines mikrobiologisch-kulturellen Erregernachweises bevorzugt aus intraokularem Material. Erfolgt die korrekte Diagnose verspätet, kann es zu fulminanten Verläufen kommen.
Die behandelnden Ärzte überweisen den Patienten umgehend an einen Infektiologen. Dieser beginnt sofort eine 30-tägige Therapie mit Ampicillin über einen PICC-Katheter, da Listeria monocytogenes in der Regel gegen Vancomycin und Ceftazidim resistent ist. Zudem geben die Augenärzte von nun an intravitreales Amikacin und Gentamicin Augentropfen; das Prednison wird abgesetzt.
Aufgrund des anhaltenden Hypopyons nehmen die Ärzte fünf Tage später Trimethoprim und Sulfamethoxazol Tabletten in die Medikation auf. In der folgenden Zeit verbessert sich der Visus zunehmend und auch der Augeninnendruck ist stabil. Da sich das Hypopyon nicht von selbst auflöst, entscheiden sich die Mediziner für eine Spülung der vorderen Augenkammer. Vier Wochen nach dem Eingriff beträgt der Visus 20/20, der Augeninnendruck 14 mmHg und das Auge erscheint unauffällig.
Text- und Bildquelle: © Weber et al. / Journal of Ophthalmic Inflammation and Infection