Wissenschaftler versuchen seit Jahrzehnten, künstliche Neuronen zu entwickeln. Jetzt ist es ihnen gelungen.
Neurodegenerative Erkrankungen könnten in Zukunft mithilfe künstlicher Neuronen behandelt werden. Diese sollen wie echte Neuronen auf elektrische Signale des Nervensystems reagieren. Bislang ist das trotz jahrzehntelanger Forschung nicht gelungen. Doch nun ist einem Team aus Neurowissenschaftlern und Physikern offenbar ein Durchbruch gelungen: Sie haben erstmals künstliche Neuronen auf einem implantierbaren Mikrochip entwickelt.
Die Vernetzung und Steuerung von Neuronen ist extrem komplex. Als kleinste Einheit des Nervensystems sind sie für die Reizaufnahme sowie die Weitergabe und Verarbeitung von Nervenimpulsen zuständig. Wird diese Verschaltung gestört, kommt es zu Problemen in der Nervenfunktion.
Der winzige Mikrochip in einer Schutzhülle. © University of Bath So verarbeiten bei einigen Herzerkankungen die zuständigen Neuronen die eingehenden Signale nicht richtig. Das beeinträchtigt die Pumpleistung des Herzens. Wenn man diese fehlerhaften Neuronen reparieren oder austauschen könnte, ließen sich nicht nur Herzkrankheiten sondern auch viele andere neurologische Erkrankungen behandeln. Gelungen ist das wegen der Komplexität der neuronalen Netzwerke bisher aber noch nicht.
Doch nun gibt es offenbar einen Durchbruch: Die Forscher der University of Bath, England, mussten dazu zunächst analysieren, nach welchem Muster die Impulsweiterleitung und -erfassung funktioniert. Denn nicht jedes Neuron, das einen doppelten Impuls erhält, leitet ihn auch genau so weiter. Es kann unter Umständen ein ganz neues Muster entstehen. Mithilfe einer Gleichung haben die Forscher das natürliche Reaktionsverhalten modelliert.
Anschließend haben sie einen Siliziumchip entwickelt, der mit dem Reaktionsverhalten programmiert wird. Die Forscher konnten damit bislang das Verhalten von Hippocampus- und Atmungsneuronen von Ratten reproduzieren.
Die künstlichen Neuronen haben zudem einen großen Vorteil: Sie benötigen nur 140 Nanowatt Energie. „Das ist ein Milliardstel der Energie, die Mikroprozessoren in ähnlichen Versuchen benötigen“, sagt Prof. Alain Nogaret in einer Pressemitteilung der University of Bath. Er ist Physiker und leitet das Projekt. Dadurch eigne sich der Chip für den Einsatz als Implantat, zum Beispiel als intelligenter Herzschrittmacher. „Andere Einsatzgebiete könnten die Behandlung neurodegenrativer Erkrankungen wie Alzheimer sein“, so Nogaret.
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