Ein Hundebesitzer entwickelt innerhalb kürzester Zeit eine fulminante Sepsis. Als der Erregernachweis gelingt, hat der Wettlauf gegen die Zeit schon längst begonnen.
Ein 63-jähriger Mann stellt sich nach drei Tagen Fieber und fortschreitender Dyspnoe in einem Krankenhaus vor. Am vorherigen Tag entwickelte er zudem Petechien im Gesicht, eine Dysästhesie des rechten Beins und eine Myalgie der unteren Extremitäten. Kürzliche Reisen oder Krankenhausaufenthalte gibt er nicht an. In der klinischen Untersuchung finden die Ärzte zusätzlich Ekchymosen an der unteren Extremität, jedoch keine offenen Wunden. Der Patient ist ansprechbar, fiebrig bei 39°C und hypoxisch bei einer Sauerstoffsättigung von 70 %. Hinzu kommt eine Ruhedyspnoe bei einer Atemfrequenz von 36/min sowie Anurie wobei der Patient hämodynamisch stabil ist. Die Meningitiszeichen sind negativ.
Die Laborwerte zeigen eine Thrombozytopenie und Lymphozytopenie, erhöhtes Procalcitonin bei >100ng/ml und einen CRP-Wert von 205mg/l. Die PTT beträgt >180s und die INR liegt bei 3,51. Zusätzlich belegen die Werte ein akutes Nierenversagen (Kreatinin 3.4 mg/dl, BUN 116 mg/dl), eine Leberfunktionsstörung (AST 438 U/l, ALT 142 U/l, GGT 991 U/l, Bilirubin 3.96 mg/dl) und eine Rhabdomyolyse. Die BGA zeigt eine Laktatazidose.
Aufgrund der körperlichen Untersuchung und der fulminanten Laborwerte stellen die Ärzte schnell die Diagnose: akute Sepsis mit Purpura fulminans. Sofort beginnen sie eine Initialtherapie mit Clarithromycin, Piperacillin/Tazobactam und Ceftriaxon, um auch eine mögliche Leptospirose abzudecken. Auf der Intensivstation verschlechtert sich der Zustand des Patienten in den nächsten 30 Stunden rapide: Er entwickelt eine Enzephalopathie und einen paralytischen Ileus – auch das Leber- und Nierenversagen schreiten weiter voran. Nach einem Herzstillstand und erfolgreicher Reanimation wird der Patient künstlich beatmet. Aufgrund der anhaltenden Hypotension nehmen die Ärzte Norepinephrin, Hydrocortison, Dobutamin und Bikarbonat in die Medikation auf. Der Patient erhält acht Einheiten Erythozyten, zwei Einheiten Thrombozyten und acht Einheiten Plasma; eine Hämodialyse wird eingeleitet.
Am vierten Tag des Krankenhausaufenthaltes zeigen die Blutkulturen ein Wachstum des gramnegativen Capnocytophaga canimorsus an. Infolgedessen wird eine zusätzliche Medikation mit Ciprofloxacin angesetzt. Da Capnocytophaga canimorsus physiologisch im Maul von Hunden und Katzen vorkommt, gibt es für die Mediziner nur noch eine logische Erklärung für den kolossalen Krankheitsverlauf: Der Patient ist Hundebesitzer und wurde im Vorfeld der Erkrankung von seinem Tier abgeleckt – jedoch nicht gebissen. Dass der Erreger durch reinen Hautkontakt und folglich kleine Defekte eindringt ist äußert selten und meist spielen Risikofaktoren wie ein geschwächtes Immunsystem, Alkoholkrankheit oder eine Milzentfernung eine Rolle. Der Patient gehört allerdings zu keiner dieser Risikogruppen.
Im weiteren Krankheitsverlauf werden auch noch Candida albicans, Aspergillus fumigatus und MRSA nachgewiesen. Als das CT des Abdomens einen vollständigen Milzinfarkt offenbart und das CT des Kopfes ein akutes Hirnödem, entscheiden sich die Mediziner in Absprache mit den Angehörigen für eine de-eskalierende Therapie. Der Patient verstirbt am 16. Behandlungstag.
Text- und Bildquelle: Mader et al. / EJCRIM