Die Hand eines 15-jährigen Mädchens mit sieben Fingern ist wie gespiegelt - Polydaktylie lautet die Diagnose. Doch woher kommt die seltene Anomalie?
Eine 15-Jährige stellt sich zur chirurgischen Behandlung ihrer Polydaktylie im Krankenhaus vor. An ihrer rechten Hand hat sie insgesamt sieben Finger, die spiegelbildlich um den mittleren Finger angeordnet sind. Sie ähneln Mittel-, Ring- und kleinem Finger; einen Daumen hat sie nicht. Der Unterarm ist verkürzt und weist Narben früherer Operationen auf. Vor drei Jahren wurde eine verstärkte Radialdeviation und Palmarflexion chirurgisch korrigiert. Das Schultergelenk weist einen normalen Bewegungsumfang auf, wohingegen das Ellenbogen- ebenso wie das Handgelenk in allen Freiheitsgraden stark eingeschränkt ist. Die einzelnen Finger kann die Patientin nur sehr unpräzise bewegen, weshalb ein fester Griff unmöglich ist. Die Röntgenaufnahmen zeigen sieben Finger mit jeweils drei Phalangen und dazugehörigen Mittelhandknochen sowie zwei verkürzte Ulnae und keinen Radius.
Die vorliegende äußerst seltene angeborene Anomalie bezeichnet man als ulnare Dimelie oder Spiegelhand. Bemerkenswert ist, dass die Eltern der Patientin im vorliegenden Fall nicht blutsverwandt sind. Die Fehlbildung geht zurück auf einen Defekt in der embryologischen Entwicklung: In der sogenannten Gliedmaßenknospe, wird das Morphogen sonic hedgehog an einer bestimmten Stelle – der sogenannten zone of polarizing activity (ZPA) - freigesetzt. Über Konzentrationsgradienten werden Positionsinformationen vermittelt, sodass wie beispielsweise im vorliegenden Fall enstehende Finger „wissen“, ob sie ein Daumen oder Zeigefinger werden sollen. Ist dieser Mechanismus defekt, sodass die ZPA an der falschen Stelle liegt, so kann es zur Spiegelhand kommen.
Bei der 15-jährigen Patientin entscheiden sich die Ärzte dazu, eine Pollizisation durchzuführen, um die Funktionalität der Hand zu verbessern. Hierfür werden der erste und zweite radiale Finger amputiert. Der dritte Finger wird in eine Position abduziert und proniert, in der er als Daumen fungieren kann. Zusätzlich werden die Sehnen und Muskeln an die neuen Funktionalitäten angepasst. Das Weichteilgewebe der amputierten Finger verwenden die Chirurgen, um den Raum zwischen dem neuen Daumen und dem Zeigefinger zu vertiefen. In den Nachuntersuchungen zeigt sich schnell: Durch den chirurgischen Eingriff konnten sowohl Funktion als auch Ästhetik der Hand deutlich verbessert werden.
Textquelle: © Sunil Gaba et al. / World Journal of Plastic SurgeryBildquelle: © World Journal of Plastic Surgery