Ketamin scheint ein Mittel gegen Alkoholsucht zu sein. Schon eine Dosis durchbreche die erlernte Spirale im Belohnungszentrum des Gehirns, sagen Experten. Doch die aktuelle Studie dazu hat Schwächen.
Das Narkosemittel Ketamin weist offenbar noch einen weiteren Nutzen auf: Die Therapie von Alkoholsucht. Das fand ein Team von Experten für Psychopharmakologie, experimentelle klinische Psychologie und Schmerzmangagement heraus. In ihrer Studie, erschienen im Fachmagazin Nature, berichten die Forscher, dass schon eine Dosis Ketamin das Verlangen nach Alkohol deutlich abschwäche.
In ihrer Arbeit stützten die Wissenschaftler sich auf die Theorie, dass Alkoholkonsum erlernt ist. Wird er zur Sucht, könne das Bedürfnis nach einem Bier zum Beispiel schon durch den bloßen Geruch des Getränks oder mit dem Trinken verbundene Rituale getriggert werden. Das resultierende Verlangen ist deshalb so stark, weil positive Gefühle mit dem Konsum verbunden sind.
„Der Lernprozess ist einer der Hauptgründe dafür, dass Menschen süchtig nach Alkohol oder Drogen werden. Im Grunde kapert die Droge das mit Lernen verbundene Belohnungssystem des Gehirns, was dazu führt, dass Umgebungstrigger mit der Droge assoziiert werden“, erklärt Dr. Ravi Das, Hauptautor der Studie in Neuroscience News. Sobald diese mit Belohnung verbundenen Erinnerungen gefestigt seien, sei es sehr schwer, gesündere Verhalten neu zu erlernen – was die Grundvoraussetzung für die Vermeidung eines Rückfalls sei.
Auch auf Social Media erregt das Thema viel Aufmerksamkeit. Bisher sorgt es allerdings nicht für Diskussionen – auf der Suche nach besonders positiven oder negativen Reaktionen wurde die Redaktion bisher nicht fündig. Wie bewerten die Anästhesisten und Suchtmediziner unter euch die Sache? Teilt eure Gedanken dazu gerne in den Kommentaren.
So griff zum Beispiel Yale Psychiatry, das Department für Psychiatrie an der Yale University, die Studie auf:
An der Studie nahmen 90 Probanden teil. Alle waren Risikotrinker, jedoch ohne klinisch diagnostizierten Alkoholabusus. Ihre wöchentliche Konsummenge lag im Schnitt bei etwa 30 Pints (1 UK-Pint = ca. 0,6 l), alle bevorzugten Bier. Im Rahmen des Experiments erhielten die Studienteilnehmer je ein Glas Bier, dass sie nach Erledigen einer Aufgabe trinken durften. Sie mussten ihr Verlangen nach dem Getränk einstufen, während ihnen Bilder von Bier und weiteren Getränken gezeigt wurden. So sollte das Belohnungssystem im Zusammenhang mit Bier angesprochen werden.
Am ersten Studientag durften die Probanden das versprochene Bier trinken, am zweiten Tag wurde es ihnen ohne Ankündigung weggenommen. Dieses überraschende Entfernen einer erwarteten Belohnung sei ein Schlüsselfaktor bei der Destabilisierung einer aktivierten Belohnungserinnerung, so die Studienautoren. Das Gehirn würde normalerweise versuchen, die Erinnerung zu restabilisieren und zu verarbeiten. Das Ketamin, was einem Drittel der Probanden beim Wegnehmen des Biers intravenös verabreicht wurde, blockiert diese Aktion. Die beiden weiteren Drittel der Teilnehmer teilten sich so auf: Ein Teil erhielt ein Placebo, der andere erhielt ebenfalls Ketamin, absolvierte davor aber nicht die Aufgaben, die die positive Biererinnerung aktivieren sollten.
Die Methode wirkt vielversprechend: Bei einem 10-tägigen und einem neunmonatigen Follow Up stellten die Wissenschaftler fest, dass die Probanden, deren positive Erinnerung an das Trinken destabilisiert wurde, während sie Ketamin bekamen, deutlich weniger tranken. Das galt für die Menge an konsumiertem Bier wie auch für die Zahl der Tage, an denen sie tranken. Als die Teilnehmer dieser Gruppe einen Schluck Bier erhielt, hatten sie ein vermindertes Verlangen, ihn zu trinken, genossen ihn weniger und wollten danach weniger oft weitertrinken als die anderen Gruppen.
Die Studienautoren geben zu bedenken, dass es sich um eine experimentelle Studie mit kleiner Probandenzahl handelt. Weitere Forschung sei nötig, um unter anderem auch die genaue Dosis Ketamin, die für den Effekt erforderlich ist, zu ermitteln. Es hatte sich nämlich gezeigt, dass diejenigen mit dem höchsten Ketaminspiegel im Blut auch stärker auf die Therapie ansprachen. Sollte sich die Ketamingabe in weiteren Studien ebenfalls als nützlich beweisen, stehe damit eine einfache und zugängliche Methode zur Behandlung von Alkoholsucht zur Verfügung, so Das.
Bildquelle: Ash Edmonds, Unsplash