Klinische Studien zu seltenen Erkrankungen scheitern in vielen Fällen, weil Patienten ihre Teilnahme beenden. Aber es gibt konkrete Vorschläge, wie sich das ändern lässt.
Seltene Krankheiten betreffen bis zu 60 Millionen Menschen in den USA und in Europa. Das Portal Orpha.net nennt aus diesem Bereich 6.172 unterschiedliche Leiden. Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind größtenteils genetischen Ursprungs und größtenteils ohne Behandlungsmöglichkeit. Chris Rees vom Boston Children’s Hospital machte sich auf die Suche nach den Ursachen: Gibt es zu wenige klinische Studien – oder werden diese zu oft abgebrochen?
Um die Frage zu beantworten, recherchierte Rees in ClinicalTrials.gov, der wichtigsten Datenbank für klinische Studien. Gründe für die Einstellung von Untersuchungen wurden gesucht, bei fehlenden Informationen wurden die Sponsoren kontaktiert. Außerdem suchten zwei unabhängige Ärzte in PubMed, EMBASE und GoogleScholar nach Publikationen zur jeweiligen Studie.
Der Zeitraum umfasste Anfang 2010 bis Ende 2012 (Erstregistrierung der Studie), und Ergebnisse oder Hinweise zum Abbruch wurden bis Ende 2014 erfasst. Die Forscher fanden 659 Studien zu seltenen Krankheiten, die 70.305 Patienten einschlossen. Es scheint also etliche Projekte zu geben.
Wenig überraschend: Pharmazeutische Hersteller sind die wichtigsten Geldgeber (327 Studien, 49,6 %), gefolgt von akademischen Einrichtungen (184 Studien, 27,9 %). Es gab 79 Studien (12,0 %), die sich auf pädiatrische Populationen konzentrierten.
Insgesamt wurden 199 Studien (30,2 %) eingestellt. Fehlende Patientenbindung (64 Studien, 32,1 %) und das Widerrufen früherer Einwilligungen (41 Studien, 20,6 %) waren die häufigsten Gründe des Scheiterns. Von den abgeschlossenen Studien fehlten in 306 Fällen (66,5 %) nach 2 Jahren und in 142 Fällen (31,5 %) nach 4 Jahren Veröffentlichungen.
„Eine mögliche Einschränkung unserer Studie besteht darin, dass bestimmte Studien für seltene Krankheiten möglicherweise nicht in ClinicalTrials.gov registriert wurden, insbesondere Phase-0- und Phase-I-Studien, die nicht registrierungspflichtig sind“, schreibt Rees.
Der Forscher nennt in seiner Veröffentlichung keine Lösungen, doch das Grundproblem ist in der Branche schon lange bekannt. Patienten müssen oft weite Strecken bis zum Studienzentrum zurücklegen. Dort werden sie untersucht oder befragt. Wird ihnen die Sache zu anstrengend, brechen sie die Teilnahme ab oder widerrufen ihre Einwilligung.
Zeitgemäß ist das nicht mehr, Stichwort Virtualisierung:
Warum abgeschlossene Studien nicht publiziert werden, ist indes fraglich. Der bekannte Publikationsbias (nur gute Ergebnisse werden veröffentlicht) könnte eine Rolle spielen.
Zur Studie geht es hier.
Bildquelle: Paul Bergmeir, Unsplash