Muss es bei Zystitis immer ein Antibiotikum sein? Und sollte man Ciprofloxacin überhaupt noch verschreiben? Diese und weitere Fragen beantworte ich in meiner Übersicht aus urologischer Perspektive.
Wohl kein Krankheitsbild wird von so vielen Fachgebieten gleichzeitig behandelt wie die akute, unkomplizierte Zystitis bei Frauen im prämenopausalen Alter. Sei es im Notdienst der Inneren, der allgemeinmedizinischen Praxis, bei der Gynäkologin oder eben in der Urologie. Da schadet es sicher nicht, einen kleinen Überblick über Diagnostik und Therapie der Erkrankung zu bekommen und die häufigsten Fragen zu klären.
Muss es immer ein Antibiotikum sein? Wenn ja, welches? Wann muss ich eine asymptomatische Bakteriurie behandeln? Wie kann ich Blasenentzündungen vorbeugen? Fragen gibt es genug. Für Antworten habe ich in die 2017 aktualisierten S3-Leitlinien geschaut.
Fangen wir mit der Definition an. Unkompliziert bleibt die Zystitis, wenn im Harntrakt keine funktionellen oder anatomischen Störungen vorliegen, die Nierenfunktion normwertig ist und keine nennenswerten Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes mellitus, vorliegen.
Unkompliziert bleibt eine Zystitis auch dann bei Frauen, wenn sie bis zu dreimal im Jahr auftritt. Im Vergleich zu den Männern ist dies der kürzeren Harnröhre geschuldet, was den Bakterien, in 80 % übrigens E. coli, das Vordringen in die Blase vereinfacht.
Haben die Bakterien es einmal in die Blase geschafft, muss das allerdings noch keine Gefahr sein. Eine asymptomatische Bakteriurie bleibt in der Regel ohne Folgen und muss nicht behandelt werden.
Bleibt aber die Regel aus und liegt eine Schwangerschaft vor, sollte über eine Behandlung nachgedacht werden. Denn in der Schwangerschaft kann eine gesteigerte GFR zu einer geringeren Menge infektionshemmender Substanzen im Urin führen. Außerdem begünstigen ein geminderter urethraler Tonus sowie eine mögliche Einengung des Ureters durch den Uterus ein Aszendieren von Bakterien und somit eine Pyelonephritis. Bei Niedrig-Risiko-Schwangerschaften sollte eine asymptomatische Bakteriurie nicht behandelt werden.
Klarheit über eine asymptomatische Bakteriurie bringt übrigens im Idealfall eine Urinkultur, da der in vielen Fällen durchgeführte Streifentest eine sehr geringe Sensitivität besitzt. Weiterhin sollte eine Urinkultur grundsätzlich bei Männern mit zystitischen Beschwerden, vor allem komplizierte Zystitis, bei postmenopausalen Frauen, nach erfolgloser Therapie sowie bei Patienten mit Diabetes durchgeführt werden.
Dort, wo die Urinkulturen aus der Praxis landen, sollte man jährlich auch eine Tabelle der regional gängigen Erreger der unkomplizierten Zystitis sowie deren aktuelle Resistenzlage anfordern.
Bei der Uringewinnung ist ein Mittelstrahlurin nach Reinigung des Genitales bei weiterführender Diagnostik (z. B. Urinkultur) zu bevorzugen, um Kontaminationen zu verhindern. Zur orientierenden Untersuchung, zum Beispiel mit Teststreifen, ist Spontanurin ausreichend.
Jetzt aber wirklich zur unkomplizierten Zystitis: Bei Frauen im prämenopausalen Alter sind Symptome wie neuaufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer Harndrang, Pollakisurie und Schmerzen oberhalb der Symphyse ausreichend für die Diagnose einer unkomplizierten Zystitis. Der 18 Fragen umfassende Acute Cystitis Symptome Score (ACSS) ist dabei eine valide und hilfreiche Unterstützung in der Diagnostik und kann bequem im Wartezimmer ausgefüllt werden.
Ist nun eine unkomplizierte Zystitis diagnostiziert, muss nicht immer ein Antibiotikum verschrieben werden. In 30–50 % der Fälle kann eine unkomplizierte Zystitis spontan abheilen. Unterstützend wirken dabei Phytotherapeutika, aber auch NSAR wie Ibuprofen.
Wird antibiotisch therapiert, klingen die Beschwerden allerdings schneller ab. Über diese Optionen müssen die Patientinnen immer aufgeklärt werden. Bei der Wahl des Antibiotikums sollte man sich bei dem kooperierenden Institut für Mikrobiologie, wie oben bereits erwähnt, über die regionale Resistenzlage informieren.
Nicht mehr Mittel der ersten Wahl bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis sind die früher häufig verschriebenen Ciprofloxacin oder Cotrimoxazol. Auf Grund der besseren Resistenzlage gelten aktuell Fosfomycin-Trometamol (3000 mg, 1x), Pivmecillinam (400 mg, 2–3x tgl. über 3 Tage) sowie Nitroxolin (250 mg, 3x tgl. für 5 Tage) und Nitrofurantoin (100 mg, 3x tgl. für 5–7 Tage) als Mittel der ersten Wahl.
Wie aber kann man sich vor Harnwegsinfekten schützen und diesen vorbeugen? Klar ist, dass bei mehr als drei Infektionen pro Jahr mit erweiterter Diagnostik, z. B. mittels Zystoskopie, funktionelle oder anatomische Ursachen ausgeschlossen werden sollten. Bevor mit einem niedrig dosierten Langzeitantibiotikum therapiert wird, gibt es allerdings noch zahlreiche weitere Optionen, die zur Verfügung stehen.
Konsens ist, dass eine übertriebene Genitalhygiene das protektive Milieu schädigt und Harnwegsinfekte fördert.[1] Bei allgemeinen Verhaltensregeln wie der richtigen Abwischtechnik von vorne nach hinten, der Intimhygiene, der Miktion vor als auch nach dem Geschlechtsverkehr sowie Omas Baumwollschlüpfer ist die Studienlage widersprüchlich. [2] [3] [4]
Generell gilt eine pflanzliche und immunstärkende Ernährung sowie sportliche Aktivität als protektiv. Nennt mir aber mal eine Erkrankung, wo das nicht der Fall ist. Trotzdem ist Aufklärung darüber natürlich sinnvoll.
Bei der Flüssigkeitszufuhr wird es schon schwieriger. Natürlich sollte nicht zu wenig getrunken werden, da hierdurch die Bakterien eine längere Verweildauer in der Blase haben. Mehr zu dem Thema gibt es übrigens hier:
Allerding sorgt ein zu stark verdünnter Urin, wie bereits erwähnt, auch zur Reduktion immunaktiver Substanzen und kann Infekte triggern. Empfohlen wird eine Urinausscheidung von 1,5 Litern pro Tag.
Die Art der Menstruationshygiene hat höchstwahrscheinlich keinen Einfluss auf wiederkehrende Harnwegsinfektion. Also hoch die (Menstruations-) Tassen.[5]
Eine elegante Art der Verhinderung wiederkehrender Harnwegsinfekte besteht in der Immunprophylaxe. Hier stehen eine orale Therapie (Uro-Vaxom®) mit Zellwandbestandteilen von E. coli sowie eine parenterale Immunisierung mit Stro-Vac® zur Verfügung. Hierin sind 6 abgetötete Stämme von E. coli, sowie vier weitere häufige Erreger einer Zystitis in abgestorbener Form enthalten. Uro-Vaxom® ist zwar deutlich verträglicher, reduziert rezidivierende Harnwegsinfekte im Durchschnitt aber nur um 39 %.[6] [7]
Stro-Vac® konnte zwar in einzelnen Studien bis zu 93 % der wiederkehrenden Harnwegsinfekte verhindern, zeigte aber auch deutlich mehr Nebenwirkung, darunter lokale Reizungen oder Immunreaktionen. Laut Leitlinie ist eine hochwertige Aussage zu Stro-Vac® derzeit nicht verfügbar, kann aber bei Frauen mit wiederkehrenden Infekten eingesetzt werden, bevor eine Langzeitantibiose eingeleitet wird. Uro-Vaxom® sollte aber zuvor versucht werden.
Ich persönlich habe mit beiden Mitteln gute Erfahrungen gemacht und würde zunächst die orale Immunisierung empfehlen. Auch das Phytotherapeuptikum Esberitox® zeigte sich gegenüber einer Langzeitantibiose mit Nitrofurantoin ebenbürtig, wobei bei geringer Fallzahl und unverblindeter Studie aktuell keine Empfehlung in den S3-Leitlinien gegeben wird.
Nach Verhaltensmaßnahmen und Immunstimulation ist der dritte Weg, rezidivierende Zystitiden zu unterdrücken, das Andocken der Bakterien an der Zellwand unserer Blase zu verhindern. Verschiedene Wirkstoffe der Moosbeere, oder Cranberry, blockieren dabei die Fimbrien von Bakterien. Studien zu verschiedenen Produkten (Saft, Konzentrate, Kapseln), zeigten dabei widersprüchliche Ergebnisse. Beim Saft führt die benötigte Dosis aufgrund des gewöhnungsbedürftigen Geschmacks zu einer hohen Abbruchquote der Therapie. Studien zu hochdosierten Kapseln stehen noch aus.
Ein ebenfalls effektives und nebenwirkungsarmes Mittel, um Bakterien an der Adhäsion zu hindern, ist, sie zu füttern. Täglich 2 g Mannose oral zugeführt sorgen im Harntrakt ausgeschieden für eine Bindung der Bakterien und damit eine Reduzierung von Harnwegsinfekten.
Eine weitere Option ist die Stärkung der Blasenschleimhaut mittels Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat. Hierfür sind zwar wöchentliche Instillationen mittels Katheter nötig, diese zeigen allerdings keine wesentlichen unerwünschten Nebenwirkungen.
Eine letzte Möglichkeit in der Therapie der rezidivierenden Zystitis besteht in der oralen Aufnahme von pflanzlichen Harnwegsdesinfizienzen wie z. B. Bärentraubenblätter, Brunnenkressekraut, Meerrettichwurzel und weißes Sandelholz, sowie Kombinationspräparaten. Hierbei ist bei manchen Therapieformen eine zeitliche Begrenzung der Einnahme auf einen Monat zu beachten.
Bevor wir nun gar nicht mehr weiterwissen und zur täglichen Langzeitantibiose (z. B. Nitrofurantoin, 1x tgl. 50 mg oder Fosfomycin, 3 g alle 10 Tage) greifen, kann noch eine postkoitale niedrig dosierte Antibiose (z. B. ebenfalls Nitrofurantoin, 1x tgl. 50 mg) probiert werden. Für diejenigen, die täglich Geschlechtsverkehr haben, erübrigt sich die Entscheidung.
Quellen:
[1]Vahlensieck W, Bauer H-W, Hoyme UB, Ludwig M, Naber K-G, Wagenlehner F, Weidner W. Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfektionen (rHWI). Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2007;36/10:501-13.
[2]Scholes D, Hooton TM, Roberts PL, Stapleton AE, Gupta K, Stamm WE. Risk factors for recurrent urinary tract infection in young women. J Infect Dis. 2000;182 (4):1177-82.
[3]Grabe M, Bartoletti R, Bjerklund Johansen TE, Cai T, Çek M, Köves B, Naber KG, Pickard RS, Tenke P, Wagenlehner F, Wullt B. Guidelines on Urological Infections. EAU Guidelines (2015).
[4]Amiri FN, Rooshan MH, Ahmady MH, Soliamani MJ. Hygiene practices and sexual activity associated with urinary tract infection in pregnant women. East Mediterr Health J 2009;15/1:104-10.
[5]Scholes D, Hooton TM, Roberts PL, Stapleton AE, Gupta K, Stamm WE. Risk factors for recurrent urinary tract infection in young women. J Infect Dis. 2000;182 (4):1177-82.
[6]Bauer HW, Rahlfs VW, Lauener PA, Bleßmann GS. Prevention of recurrent urinary tract infections with immunoactive E. coli fractions: a meta-analysis of five placebo-controlled double-blind studies. Int J Antimicrob Agents. 2002;19/6:451-6.
[7]Beerepoot MA, et al. "Nonantibiotic Prophylaxis for Recurrent Urinary Tract Infections: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials." J Urol. 2013;190 (6):1981-9.
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