Vor wenigen Wochen knallten bei der EMA die Korken: Die Arzneimittelbehörde hat den ersten Impfstoff gegen Ebola zugelassen. Euphorie macht sich vor allem hierzulande breit, denn die Impfung dämpft unsere diffuse Angst.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den ersten Impfstoff gegen Ebola zugelassen – wissenschaftlich ein Durchbruch. Experten des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) haben nämlich empfohlen, Ervebo® von Merck/MSD für Personen ab 18 Jahren zuzulassen, die einem Ebola-Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Wenig später kam es zur offiziellen Zulassung.
Viraler Vektor erzeugt Ebola-Protein
Zum Hintergrund: Ervebo® (rVSVΔG-ZEBOV-GP) ist ein viraler Vektor auf Basis des Vesicular Stomatitis Virus. Im Erbgut befindet sich ein Gen, welches für das virale Glykoprotein des Zaire-Ebolavirus codiert. Daraufhin entstehen Antikörper gegen Viren. Genau diese Tatsache kannten Forscher schon lange, denn im Blut Ebola-Überlebender fand man ebenfalls Antikörper.
Vor der Zulassung wurde die Vakzine im Rahmen mehrerer klinischer Studien in Afrika, in Europa und in den USA getestet. Rund 16.000 Personen haben der EMA zufolge daran teilgenommen. Dabei erwies sich Ervebo® als sicher und immunogen. Vorläufige Daten legen nahe, dass der Impfstoff beim aktuellen Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo wirksam ist. Zusätzliche Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit werden nach der Markteinführung gesammelt.
Angst als treibender Motor der Forschung
Bei aller Euphorie lohnt sich ein Blick zurück, durchaus im Zorn. Das Ebolavirus wurde 1976 erstmals beschrieben. Am Ebola-Fluss (heute Demokratische Republik Kongo) erkrankten 318 Menschen, von denen 280 (88 Prozent) starben. Das wissenschaftliche Interesse war groß, die Angst eher gering – Afrika ist weit weg. Bis 2013 folgten mehrere kleinere Ausbrüche mit 30 bis 400 Erkrankten. Die Mortalität schwankte zwischen 25 und 100 Prozent. Anscheinend kein Grund zur Panik.
Ab Februar 2014 begann die Sache dann brenzlig zu werden. Zwischen 2014 und 2016 infizierten sich WHO-Schätzungen zufolge knapp 29.000 Menschen, und mehr als 11.000 (60 Prozent) starben. Acht Kliniken in Deutschland richteten plötzlich Sonderisolierstationen für hochinfektiös Erkrankte ein. Am UKE in Hamburg, am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main und am Klinikum St. Georg in Leipzig wurden tatsächlich Ebola-Patienten behandelt.
Nach jahrzehntelanger Vogel-Strauß-Taktik geriet die westliche Welt in Panik. Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), kanadische Gesundheitsbehörden, die WHO und die EMA arbeiteten auf einmal mit Gesundheitsministerien betroffener afrikanischer Länder eng zusammen. Ihr Ziel war, möglichst schnell einen Impfstoff zu finden.
Einmal mehr zeigt sich, woher Innovationen kommen: rVSV-ZEBOV-Impfstoffe sind keine Entwicklung der pharmazeutischen Industrie, sondern gehen auf Forscher der Public Health Agency of Canada (PHAC) zurück. Bereits 2005 (!) veröffentlichten sie ihre ersten Ergebnisse. Sie lizensierten ihre Idee und gründeten das Startup NewLink Genetics, wo die Impfstoffentwicklung begann. NewLink Genetics wiederum lizensierte den Impfstoff an Merck (USA) aus.
Erst der Ebola-Ausbruch 2014-2016 beschleunigte die weitere Entwicklung rasant. Eine Phase-I-Studie (Oktober 2014) und eine Phase-II- plus Phase-III-Studie (ab März 2015) folgten. Und im Januar 2016 erhielt Merck (USA) von der Globalen Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) 5 Millionen US-Dollar für die weitere Entwicklung. Nach Abschluss von mehreren breit angelegten Imfkampagnen nennt die WHO 97,5 Prozent als Effektivität des Impfstoffs.
Kinderkrankheiten interessieren kaum
„Die positive Bewertung der EMA für den ersten Impfstoff gegen das Ebola-Virus zeigt, dass die wissenschaftliche Expertise in der EU genutzt werden kann, um die Auswirkungen tödlicher Krankheiten wie Ebola zu verringern“, so Harald Enzmann, Vorsitzender des CHMP. Europa ist in Jubelstimmung.
Der neue Impfstoff wird viele Menschenleben retten, das steht außer Frage. Tatsächlich begannen Forscher aber erst auf Hochtouren zu arbeiten, als es für Europa, für die USA und für Kanada brenzlig wurde.
Hinzu kommt: Vor Ort breiten sich eigentlich leicht zu vermeidende Kinderkrankheiten aus. Medienberichten zufolge sollen etwa in der Demokratischen Republik Kongo bis Mitte September 180.000 Menschen an den Masern erkrankt sein, und 3.667 sind daran gestorben – bei unbekannt hoher Dunkelziffer.
Rechnet man diese Zahl auf angrenzende Länder und mehrere Jahre hoch, ist man schnell in der Größenordnung von 11.000 Toten, wie bei der Ebola-Epidemie 2014 bis 2016. Zwar sind weitere Impfkampagnen geplant, doch angesichts leichter Präventionsmöglichkeiten ist jeder Tote einer zu viel. Ähnlich sieht es bei Malaria aus. Für das Nachbarland Burundi werden sechs Millionen Infektionen und 1.885 Todesfälle genannt – nur im ersten Halbjahr 2019.
Fachkräfte abgeworben – für den Ebola-Einsatz
Die Angst, Europa oder Amerika könnte selbst in die Fänge von Ebola geraten, hat ab 2014-2016 nicht nur zur rascheren Entwicklung von Impfstoffen geführt. Plötzlich flossen auch mehr Gelder in regionale Infrastrukturen - mit zwiespältigen Ergebnissen.
„Die Ausweitung des international finanzierten Ebola-Einsatzes kann für Gesundheitszentren und Krankenhäuser in der Region Segen oder Fluch sein“, berichtet Ärzte ohne Grenzen. „Dort, wo lokale Einsatzteams und internationale Organisationen spezielle Ebola-Isolations- und Behandlungszentren einrichten, verbessern sie oft die Infrastruktur, bezahlen zusätzliches Personal und unterstützen die medizinische Grundversorgung.“ Medizinischen Fachkräfte kämen jedoch fast ausschließlich aus anderen Gesundheitszentren und Krankenhäusern der Region. „Diese sind in der Folge mit einem kritischen Personalmangel konfrontiert“, heißt es weiter.