Präeklampsie wird von Ärzten und Patientinnen gleichermaßen gefürchtet. Ein Biomarker kann helfen, eine Präklampsie auszuschließen. Seit Oktober kann er als Kassenleistung in der Praxis abgerechnet werden.
Hypertensive Erkrankungen treten in 6–8 % aller Schwangerschaften auf. Besonders gefürchtet ist die Entwicklung einer Präeklampsie im Schwangerschaftsverlauf, da 10–15 % der maternalen Todesfälle in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem schwerwiegenden Krankheitsbild gesehen werden müssen. Man geht davon aus, dass weltweit mindestens 70.000 Mütter in Folge einer Präeklampsie sterben. Aus diesem Grund ist eine möglichst frühzeitige Diagnostik von großer Bedeutung. Der Biomarker sFlt-1/PlGF-Quotient schließt eine Präeklampsie mit hoher Wahrscheinlichkeit für die nächsten vier Wochen aus. Seit Oktober 2019 kann er unter bestimmten Umständen als Kassenleistung in der Praxis abgerechnet werden.
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen
Nach der neuen S2k-Leitlinie „Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie“ unterscheidet man folgende Krankheitsbilder in der Schwangerschaft:
1. Chronische Hypertonie: Es handelt sich um eine bereits präkonzeptionell oder im ersten Trimenon diagnostizierte Hypertonie
2. Gestationshypertonie: Neu aufgetretene Hypertonie innerhalb des Schwangerschaftsverlaufs ohne zusätzliche Kriterien, die eine Präeklampsie definieren.
3. Gestationsproteinurie: In der Schwangerschaft aufgetretene Proteinurie ohne weitere Präeklampsiekriterien und ohne vorbestehende renale Ursachen.
4. Präeklampsie: Jeder (auch vorbestehend) erhöhter Blutdruck (≥ 140/90 mm Hg) in der Schwangerschaft mit mindestens einer neu aufgetretenen Organmanifestation, die keiner anderen Ursache zugeordnet werden kann. Typische Organmanifestationen sind: Niere (Proteinurie), Leber (Transaminasenerhöhung), respiratorisches System (Lungenödem), hämatologisches System (Thrombozytopenie), Plazenta (SGA/IUGR) und zentrales Nervensystem (z.B. Augenflimmern).
Nach den Kriterien der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe spricht man dann bereits von einer Präeklampsie, wenn erhöhte Blutdruckwerte in Kombination mit einem pathologischen sFlt-1/PlGF-Quotienten vorliegen, auch in Abwesenheit von zusätzlichen Organfunktionseinschränkungen.
5. HELLP-Syndrom: Typische, in der Schwangerschaft auftretende Laborkonstellation aus Hämolyse, erhöhten Transaminasen und Thrombozytopenie, die häufig mit einer Präeklampsie assoziiert ist. Die Patientinnen berichten über rechtsseitige Oberbauchschmerzen.
6. Eklampsie: Tonisch-klonische Krampfanfälle in der Schwangerschaft, die keiner anderen neurologischen Ursache zugeordnet werden können und häufig mit einer Präeklampsie assoziiert sind.
Bereits 2003 wurde erstmals gezeigt, dass bei Patientinnen mit Präeklampsie die plazentare Expression von sFlt-1 (soluble fms-like tyrosine kinase 1) erhöht ist. Diese Veränderung ist bereits vor Ausbruch der Symptome messbar. Die Serumspiegel des PlGF (placental growth factor) ist dagegen erniedrigt. Eine Vielzahl von klinischen Studien hat ergeben, dass der Quotient aus den beiden Parametern für die Prädiktion, Diagnostik und Prognosestellung der Präeklampsie effizient eingesetzt werden kann.
Entscheidend ist, dass der Marker bei Patientinnen mit klinischem Verdacht auf Präeklampsie ab 24 + 0 SSW eingesetzt wird. Dies betrifft Frauen mit einer neu aufgetretenen Hypertonie in der Schwangerschaft oder der Verschlechterung eines vorbestehenden Hypertonus. Weiterhin bei Symptomen wie Kopfschmerzen, Oberbauchschmerzen, starker Ödembildung, plötzlicher verstärkter Gewichtszunahme, pathologischen Doppler-Werten der Aa. uterinae und fetaler Wachstumsrestriktion. Es handelt sich nicht um einen Screeningparameter und soll nicht grundsätzlich bei allen Schwangeren zum Einsatz kommen. Das speziellen Voraussetzungen vorbehaltene Ersttrimesterscreening auf Präeklampsie soll hier nicht behandelt werden.
Normbereiche als diagnostische Hilfe
Für den Einsatz in der klinischen Routine wurden folgende Trennwerte zur Diagnose einer Präeklampsie festgelegt:
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Patientinnen mit einem steilen Anstieg der Werte innerhalb von 2 Wochen ein signifikant höheres Risiko haben, eine Präeklampsie oder assoziierte Komplikationen zu entwickeln. Der mittlere Anstieg des sFlt-1/PlGF-Quotienten betrug in dieser Gruppe 31,22 – während er bei Patientinnen ohne Präeklampsie bei 1,45 lag.
Fazit: Der Marker kann helfen, Hospitalisierungen zu vermeiden
1. Der sFlt-1/PlGF-Quotient wird bei klinischem Verdacht auf Präeklampsie ab 24 + 0 SSW eingesetzt:
2. Bei Verdacht auf Präeklampsie und einem sFlt-1/PlGF-Quotienten unter38 sollte in 4 Wochen eine Kontrolle erfolgen. Wenn der Wert weiterhin unter 38 liegt, ist eine erneute Überprüfung nach 4 Wochen ratsam. Ist der Trennwert von 38 überschritten, sollten die Kontrollen engmaschiger stattfinden. Grundsätzlich ist eine Vorstellung in einem Perinatalzentrum ab einem Trennwert über 85 (bzw.110) erforderlich.
3. Bei Verdacht auf ein HELLP-Syndrom sollte der sFlt-1/PlGF-Quotient zusammen mit dem HELLP-Labor abgenommen werden.
4. Seit dem 01.10.2019 ist der sFlt-1/PlGF-Quotient Teil des EBM (Ziffer 32363) und kann bis zu dreimal im Behandlungsfall abgerechnet werden.
In der Früherkennung und Diagnostik der Schwangerschaftserkrankung Präeklampsie konnten in den letzten Jahren bahnbrechende Fortschritte erzielt werden. Der Präeklampsiemarker sFlt-1/PlGF-Quotient wird in den Perinatalzentren bereits seit längerem eingesetzt. Nun ist er auch im ambulanten Bereich als Kassenleistung zugelassen und damit ein sinnvoller Marker, um unnötige Hospitalisierungen zu vermeiden.
Literaturangaben:
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