Die bestehenden Leitlinien zum Mammakarzinom empfehlen ein Screening zur Früherkennung. Was dort bisher nicht berücksichtigt ist: Das individuelle Risiko durch familiäre Vorbelastung.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, die ein Viertel aller neuen Krebsfälle und 15 Prozent aller Krebstodesfälle bei Frauen weltweit ausmacht. Die in den letzten zwei Jahrzehnten in Europa beobachtete Verringerung der Brustkrebssterblichkeit wurde teilweise auf die Umsetzung von Screening-Programmen zurückgeführt. Durch das Screening können Tumoren in einem frühen Stadium erkannt werden, wenn Behandlungsmöglichkeiten wirksamer sind.
Die derzeitige Praxis in vielen nationalen Screening-Programmen ist weitgehend einheitlich: Frauen werden im Alter von 50–69 Jahren alle zwei Jahre zur Teilnahme an einer Mammografie-Untersuchung eingeladen. Für Frauen mit genetischen Risikofaktoren für Brustkrebs (z. B. BRCA1-, BRCA2- oder PALB2-Mutationen) gilt die Leitlinie für Hochrisikopatientinnen, die bereits einen früheren Start der Früherkennung vorsieht.
Das Risiko bei Vorliegen einer familiären Vorbelastung variiert dabei erheblich je nach Alter der Einzelnen, Anzahl der betroffenen Angehörigen und dem Alter, in dem die Verwandte erkrankt ist. „Für eine differenzierte und präzise Abschätzung des persönlichen Brustkrebsrisikos in Abhängigkeit des Alters, der Art und des Umfangs der familiären Vorbelastung fehlte bislang eine ausreichend große Datenbasis. Die vorliegende Studie hat diese Lücke nun geschlossen“, sagt Hermann Brenner, Leiter der Abteilung Präventive Onkologie am DKFZ und NCT Heidelberg.
Die Forscher haben in Kooperation mit Kollegen der Universität Lund die Daten von in Schweden lebenden Frauen ausgewertet, die nach 1931 geboren wurden. Während des Studienzeitraums von 1958–2015 waren insgesamt 118.953 Frauen von Brustkrebs betroffen. 16.202 (13,6 Prozent) hatten Angehörige mit einer Brustkrebserkrankung zum Zeitpunkt ihrer eigenen Diagnose.
Auf Basis der familiären Risiken, die mit Anzahl und Alter bei der Diagnose der Verwandten ersten und zweiten Grades verbunden sind, haben die Wissenschaftler risikoadaptierte Anfangsalter für die Brustkrebsfrüherkennung bei Frauen ermittelt, bei denen familiäre Vorbelastungen in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Sie verglichen das risikoangepasste Anfangsalter für die Brustkrebsfrüherkennung mit dem Alter, das laut der bestehenden Leitlinien empfohlen wird.
„Wir konnten feststellen, dass das Brustkrebsrisiko je nach Anzahl der erkrankten Verwandten ersten und zweiten Grades stark variierte. Und auch das Erkrankungsalter der Verwandten ersten Grades hatte Auswirkungen“, berichtet Elham Kharazmi, Co-Leiterin der Studie und Wissenschaftlerin in der Abteilung Präventive Onkologie.
„Für die zukünftige Einschätzung des Brustkrebsrisikos und Empfehlung für den Start des Brustkrebsscreenings schlagen wir eine neue Strategie vor“, erklärt Mahdi Fallah, Studienleiter und Leiter der Arbeitsgruppe Risikoadaptierte Prävention in der Abteilung Präventive Onkologie.
Er erläutert an einem Beispiel: „Eine Frau, deren Schwester mit 43 Jahren an Brustkrebs erkrankt ist, erreicht das durchschnittliche Risiko 50-jähriger Frauen bereits im Alter von 38 Jahren, das heißt zwölf Jahre früher. Ihr sollte damit auch ein entsprechend früherer Beginn für die Brustkrebsfrüherkennung angeboten werden. Diese Art der Berechnung des persönlichen Risikos könnte neben der Berücksichtigung anderer Risikofaktoren helfen, die Brustkrebsfrüherkennung an das individuelle Risiko anzupassen.“
Die Studienergebnisse liefern für die Beratung enger und entfernter Verwandten von Brustkrebspatientinnen verwertbare Informationen. Die Erkenntnisse können Ärzte in ihrer praktischen Arbeit dabei zusätzlich unterstützen, das Anfangsalter zur Brustkrebsvorsorge risikoangepasst zu beurteilen.
Textquelle: Pressemitteilung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg
Bildquelle: Barney Moss, Flickr