Bonpflicht, Dosierungschaos und die allseits beliebte Telematikinfrastruktur: Auch im nächsten Jahr kommt einiges auf die Apotheken zu. Ein Fahrplan.
Das Jahr 2019 hat nur noch ein paar Wochen, bevor es sich von uns verabschiedet. Überall in den Medien finden sich Rückblicke dazu, doch wir wollen lieber einen Blick voraus wagen. Was erwartet die Apotheken im neuen Jahr und wie können sie sich darauf vorbereiten?
Sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sollten die erforderlichen Regelungen für das eRezept geschaffen worden sein. Das bedeutet, dass im Februar 2020 die ersten eRezepte für GKV-Versicherte eingelöst werden könnten, auch wenn es dafür noch gar keinen festen Termin gibt.
Erste Modellprojekte, wie beispielsweise GERDA (Geschützter E-Rezept-Dienst der Apotheker), sind im November angelaufen. Dafür mussten sich die Apotheken im Landkreis Tuttlingen und der Region Stuttgart auf dem N-Ident-Portal anmelden, über das auch schon die SecurPharm Anmeldung gelaufen ist. Dort werden die Rezepte gespeichert und dort findet der Patient, der sich eine entsprechende App herunterladen muss, auch die teilnehmenden Apotheken, an die er sein Rezept weiterleiten kann.
Die Vor-Ort-Apotheken sollten diese Pilotprojekte gut im Auge behalten und den Anmeldezeitpunkt nicht verpassen – auch der eigenen Kundschaft zuliebe, die nach der Einführung auch von anderer Seite noch einfacher als bisher abgefischt werden können. Ein Gespräch mit den umliegenden Arztpraxen lohnt sich ebenso.
Probleme sieht die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hier zurecht bei der rechtzeitigen Anbindung aller Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI). Apothekensoftware muss aktualisiert, neue Geräte müssen angeschafft werden, die zum Teil gerade erst auf dem Markt sind. Von ausreichender Zeit zum Testen kann hier nicht ausgegangen werden.
Bestes Beispiel dafür sind die eHealth-Konnektoren, die unter anderem den sicheren Zugang zur TI ermöglichen. Aktuell hat erst ein einziger Hersteller (CGM) dafür Mitte November 2019 eine eingeschränkte Zulassung der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik) erhalten. Der Feldtest, der die Grundlage für die abschließende Zulassung sein wird, steht noch aus. Dazu kommt, dass die dort eingesetzten Karten zur Zeit nicht die vorgeschriebenen mindestens vier Jahre Laufzeit vorweisen können. Der Test ist außerdem bisher nicht erstattungsfähig.
Daher „ist unter Berücksichtigung der Kapazitäten der Apothekensoftwarehäuser die technische Implementierung der Komponenten in Apotheken und deren Anbindung an die Telematikinfrastruktur frühestens zum 31. Dezember 2020 denkbar“, gibt die ABDA bei einer Stellungnahme zu bedenken. Das Digitale Versorgung Gesetz (DVG) räumt den Apothekern indes nur eine Frist bis zum 30. September 2020 ein – es gilt also, schnell zu sein, um nicht in Verzug zu geraten.
Journalist Peter Welchering sieht das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk etwas gelassener: „Der Zeitplan der Gematik sieht so aus, dass es zum 30. Juni 2020 eine erste Regelung mit technischen Spezifikationen geben wird, in denen dann genau geregelt ist, wie ein digitales Rezept für Kassen- und Privatpatienten aussieht, wie es eingelöst wird und wie der Datenschutz geregelt sein wird. Ein Jahr später dann wird es diese Regelungen auch für das sogenannte ‚Grüne Rezept’ geben, also für Verordnungen, bei denen der Patient das Arzneimittel selbst bezahlen muss. Und es wird Regelungen für Rezepte mit Betäubungsmittelverordnungen geben. Das wäre dann Ende Juni 2021. Und von da ab sollen dann unterschiedliche Betreiber, die Krankenkassen und die Apotheken das elektronische Rezept bundesweit umsetzen.“
Der Plastiktütenverbrauch ist in den letzten Jahren enorm zurückgegangen. 2016 kam die freiwillige Selbstverpflichtung des Handels, diese nur noch gebührenpflichtig abzugeben. Und trotzdem soll 2020 wohl das Verbot kommen – zumindest für die in den Apotheken noch gebräuchlichen Tüten, die teilweise auch als Zugabe der Pharmaindustrie den Bestellungen beiliegen.
Das Verbot könnte bereits Mitte 2020 in Kraft treten und eine Übergangsfrist von etwa einem halben Jahr zum Abbau der Restbestände beinhalten. Für Apotheken bedeutet das den Ausbau des Einkaufs von Papier- oder Stofftragebeuteln. Wer noch größere Vorräte eingelagert hat, fängt besser jetzt schon an, diese zu reduzieren. Eine Strafe von bis zu 100.000 Euro ist bei einem Verstoß im Gespräch.
Aus Umweltperspektive konträr zum Plastiktütenverbot kommt die Bonpflicht. Wer also bisher nicht automatisch an seiner Kasse einen Bon ausgedruckt hat, wird es nun zwangsweise tun müssen. Die Softwarehäuser mussten bereits auf die geänderte Gesetzeslage reagieren und so wird ab Januar 2020 wieder vermehrt Papiermüll anfallen. Vielleicht ist die Standespolitik noch in der Lage, an diesem Unsinn etwas ändern zu können. Eine Mail von allen Apothekenmitarbeitern an ihren jeweiligen Bundestagsabgeordneten könnte hier sinnvoll sein.
Andererseits – welche Strafe steht eigentlich auf das Umgehen der Bonpflicht? Das Bundesfinanzministerium schreibt auf seiner Homepage: „Der Verstoß gegen die Belegausgabepflicht ist nicht bußgeldbewehrt. Er könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde.“ Da verpufft der ganze Ärger doch schon fast wieder …
Mit dem Masernschutzgesetz billigte der Gesundheitsausschuss des Bundestages auch die Einführung eines Wiederholungsrezeptes. Chronisch kranken Patienten mit gleichbleibender Medikation kann der Arzt künftig ein Rezept ausstellen, das bis zu drei weitere Male durch die Apotheken beliefert werden kann.
In der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) wird festgelegt, welche Vermerke darauf aufgebracht werden müssen und wie häufig die abgedruckten Arzneimittel darauf abgegeben werden dürfen. Die Gültigkeit des Wiederholungsrezeptes ist von drei Monaten auf ein Jahr nach Ausstellungsdatum verlängert worden.
Ebenfalls zusammen mit dem Masernschutzgesetz fiel, gegen den Willen der Hausärzte-Verbände, der Startschuss für Pilotprojekte zur Grippeimpfung in den Apotheken. Einwilligungsfähige Erwachsene dürfen sich im Rahmen dieser Projekte künftig in teilnehmenden Apotheken gegen die saisonale Grippe impfen lassen. Damit sind entsprechende Modellvorhaben bereits im kommenden Jahr möglich.
Eine Änderung, der die meisten Apotheker eher beklommen entgegen blicken, ist für den 1. November 2020 angesetzt: Die AMVV sieht vor, dass Ärzte ab diesem Zeitpunkt zusätzlich zu den verordneten Medikamenten eine Angabe zur Dosierung auf dem Rezept vermerken sollen. Das entfällt jedoch, wenn der Patient einen Medikationsplan erhalten hat oder eine andere schriftliche Dosieranweisung seines Arztes vorliegt.
Ein Fehlen dieser Angaben ist durch das abgebende pharmazeutische Personal heilbar und darf sogar ohne Rücksprache ergänzt werden, wenn sie zweifelsfrei bekannt sind. Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) glaubt nicht, dass diese Neuregelung für Therapiesicherheit sorgen wird. Er bezeichnet sie als „Aktionismus des Gesetzgebers“ und „weiteren bürokratischen Aufwand ohne Mehrwert für den Patienten“. Die Versorgung würde dadurch „mehr gestört als verbessert“. Auch die Apotheker sind hier geteilter Meinung, wie eine Umfrage der Deutschen Apotheker-Zeitung zeigt.
Es ist ein zweischneidiges Schwert, denn in der Apotheke erlebt das pharmazeutische Personal jeden Tag im Gespräch mit den Patienten, dass bereits jetzt vorhandene aufgedruckte Dosierungen veraltet sind. Wenn ein solches Gesetz sinnvoll greifen soll, muss in den Arztpraxen ein neuer Medikationsplan umgehend so eingepflegt werden, dass er aktualisiert für Verordnungen übernommen werden kann.
Bereits jetzt gelten die Regelungen zur Dosierungsangabe bei verordneten Rezepturen. Erfahrungsgemäß werden bereits diese nur lückenhaft ausgefüllt, was beim Übersehen in der Apotheke zu Retaxationen führen kann. So ist dieses Gesetz eine weitere Möglichkeit, dass Apothekeninhaber für den laxen Umgang in den Arztpraxen mit Vorschriften solcher Art zur Kasse gebeten werden können.
Auf der anderen Seite steht das Thema Therapiesicherheit, denn immer wieder helfen diese aufgedruckten Einnahmevorschriften dabei, fehlerhafte Angaben zu bemerken. Retardtabletten, die häufig nur unzerkaut und unzerbrochen eingenommen werden dürfen, stehen immer wieder zur halbierten Einnahme auf dem Rezept. Ebenso werden auf diese Weise zur gemeinsamen Einnahme empfohlene Wirkstoffe entdeckt, die sich gegenseitig bei der Aufnahme in den Körper stören.
Ein Beispiel, das sicher jedem Apotheker bekannt ist, sind die gemeinsam eingenommenen Schilddrüsenmedikamente mit den verordneten Eisenpräparaten vom Frauenarzt. Im Hinblick darauf ist diese Neuerung vor allem eine Chance, solche Fehler zu bemerken und von der Sachkenntnis des pharmazeutischen Personals zu profitieren.
Im neuen Jahr wird es also sicher nicht langweilig, denn es kommen auf jede einzelne Apotheke größere Umwälzungen zu. Die PTA-Reform sowie das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) mit seinen geplanten neuen pharmazeutischen Dienstleistungen stehen ebenfalls noch aus.
Aber: Das PTA-Reformgesetz muss weiter überarbeitet werden, das VOASG ist zurückgestellt, bis die EU-Kommission dazu abschließend ihre Stellungnahme abgegeben hat.
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