Laut Zahlen der Kaufmännischen Krankenkasse steigen die Preise für Pharmaka weiter an. Doch Hersteller investieren stärker in ihr Marketing als in die Forschungsabteilungen. Haben Gesundheitspolitiker die hehren AMNOG-Ziele verfehlt?
Beim 19. Berliner Dialog präsentierten Versorgungsforscher der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) aktuelle Trends. Auf Basis von Versichertendaten fanden sie heraus, dass Ausgaben für Arzneimittel (plus 31,7 Prozent) und verordnete Tagesdosen (plus 27,6 Prozent) zwischen 2007 und 2014 fast parallel angestiegen sind. An und für sich eine gute Nachricht, doch der Schein trügt.
Je nach Patentstatus zeigen sich deutliche Unterschiede. Im untersuchten Zeitraum veränderten sich Kosten für Generika um plus 41,1 Prozent. Gleichzeitig schnellten Tagesdosen um plus 58 Prozent nach oben. Den Mengeneffekt führen Wissenschaftler auf demografische Effekte sowie auf weitere generisch verfügbare Arzneistoffe zurück. Patentgestützte Originale verteuern sich um 30,7 Prozent, gehen aber mengenmäßig um 22,6 Prozent nach unten. „Nachdem der Kostenanstieg bei den Originalen nach dem AMNOG stagnierte, setzt er sich nun weiter fort“, kritisiert die KKH. „Das heißt nichts anderes, als dass Pharmafirmen für ihre Originalpräparate immer höhere Preise verlangen, um ihre Gewinne zu maximieren“, so KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit.
„Von der Politik wurden Maßnahmen ergriffen, die nicht zu einer dauerhaften Eingrenzung des Preisanstiegs führten“, schreibt die KKH im Report. Dazu gehören ein Preismoratorium und erhöhte Herstellerrabatte (2010) sowie die frühe Nutzenbewertung (2011). Speziell vom AMNOG hatten sich Krankenkassen mehr erhofft. Statt zwei Milliarden Euro – wie ursprünglich vorgesehen – sparten sie nur 500 Millionen Euro pro Jahr ein. Auch die frühe Nutzenbewertung hat ihre Schwächen. Kailuweit zufolge gibt es genügend Beispiele dafür, dass Medikamente ohne Zusatznutzen zu teuer auf den Markt kämen.
Bleibt noch, dass Firmen bei neuen Arzneistoffe im ersten Jahr den Preis frei bestimmen. „Geht es anschließend in die Preisverhandlungen, haben Hersteller häufig schon das Nachfolgepräparat auf den Markt gebracht – erneut zu einem extremen Preis“, kritisiert die KKH. Extrema für Spezialpräparate ließen sich nicht alleine mit Kosten für Forschung und Entwicklung erklären. „Zur Wahrheit gehört, dass Pharmafirmen für die Vermarktung ihrer Produkte häufig doppelt so viel zahlen wie für Forschung und Entwicklung“, sagt Kailuweit. Allein für die direkte Vermarktung seien zirka 15.000 Pharmaberater eingesetzt, die jedes Jahr 20 Millionen Besuche bei Ärzten durchführten. Konzerne investieren höhere Summen in die Vermarktung als in die Forschung. Knapp fünf Jahre nach Einführung des AMNOG wäre es auch der Zeit, handwerkliche Fehler zu bereinigen. Grund genug für Kailuweit, in dieser Legislaturperiode ein „AMNOG II“ zu fordern. Noch ist der finanzielle Interessenausgleich zwischen forschenden Herstellern und Kostenträgern verbesserungswürdig.