Ärzte sollten Herzpatienten kein Diclofenac verschreiben. Vor den Risiken warnte vor Jahren schon ein Rote-Hand-Brief. Doch das hat offenbar nicht viel bewirkt.
Die Einnahme des Schmerzmittels Diclofenac kann bei Herzpatienten das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle deutlich erhöhen. Schon vor sechs Jahren gab es eine offizielle Warnung. Trotzdem erhalten zahlreiche Risikopatienten weiterhin das Schmerzmittel.
Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in einer aktuellen Studie, die vor Kurzem im Fachblatt Journal of Internal Medicine (JIM) erschienen ist.Bereits im Jahr 2013 warnte ein Rote-Hand-Brief die deutsche Ärzteschaft, dass Diclofenac bei bestimmten Patientengruppen nicht mehr verschrieben werden sollte. Hierzu zählen zum Beispiel Patienten mit bestehender Herzinsuffizienz, ischämischer Herzerkrankung oder zerebrovaskulären Erkrankungen. Ein ähnliches Risikoprofil wie Diclofenac zeigte ein Präparat namens Vioxx® (Wirkstoff Rofecoxib), das zu zahlreichen kardiovaskulären Todesfällen geführt hat und deshalb im Jahr 2004 vom Markt genommen wurde.
Auf Basis von Krankenkassendaten untersuchte das BIPS-Team das Verordnungsverhalten zu Diclofenac vor und nach dem Rote-Hand-Brief aus dem Jahr 2013. Zwar zeigte sich, dass 2014 im Vergleich zu 2011 absolut gesehen deutlich weniger Diclofenac erstmalig verschrieben wurde. So erhielten 2014 von den über 10 Millionen untersuchten Personen 30 Prozent weniger erstmalig Diclofenac als im Jahr 2011. Allerdings hatten im Jahr 2014 trotzdem 12 Prozent der Personen mit Diclofenac-Verordnung eine kardiovaskuläre Kontraindikation – genauso viele wie 2011. „Der Rückgang der Diclofenac-Verordnungen scheint also ein allgemeiner Trend gewesen zu sein und hat sich auf die Risikogruppen nicht im Speziellen ausgewirkt. Die neuen Kontraindikationen spiegeln sich im Verschreibungsverhalten nicht wirklich wider“, sagt Studienerstautor Oliver Scholle vom BIPS.
„Wir planen weitere Analysen mit noch aktuelleren Daten, aber wir gehen nicht davon aus, dass sich ohne weitere Maßnahmen etwas am Verschreibungsverhalten geändert hat. Man muss davon ausgehen, dass es aufgrund dieser Verordnungen zu Herzinfarkten und Schlaganfällen kam, die vermeidbar gewesen wären, denn es gibt sicherere Alternativen zu Diclofenac“, ergänzt Prof. Ulrike Haug, Letztautorin der Studie und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS. Sie fügt an: „Mehr Aufklärung in Arztpraxen zu den Risiken von Diclofenac – auch bei kurzzeitiger Einnahme und niedrigerer Dosis – erscheint dringend notwendig, ebenso wie Studien, die untersuchen, wie das Verordnungsverhalten in Risikogruppen nachhaltig beeinflusst werden kann.“
Textquelle: Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPSBildquelle: Cindy Tang, unsplash