Die Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Ovarialkarzinomen sei nicht nur überflüssig, sie schade Patientinnen sogar. So sieht es die Bertelsmann-Stiftung. Gynäkologenverbände sind anderer Meinung.
Mit einem Preis zwischen 9 und 53 Euro gehört die transvaginale Ultraschalluntersuchung zur Früherkennung von Eierstockkrebs zu den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), sofern kein Verdacht auf eine Erkrankung besteht. Im Frühjahr dieses Jahres sprach sich die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) sogar dafür aus, dass das Screening Kassenleistung werden solle.
Doch was es tatsächlich bringt? Nichts, schreibt die Bertelsmann-Stiftung in einer aktuellen Pressemitteilung. Sogar im Gegenteil: Das Screening sei beispielhaft für eine medizinische Überversorgung in bestimmten Bereichen des deutschen Gesundheitssystems und schade Patientinnen. Denn der Verdacht auf ein Ovarialkarzinom bestätige sich nur bei jeder zehnten operierten Frau.
„Zu unnötigen OPs kommt es, weil vielen Frauen ohne Risiko ein Screening empfohlen wird, obwohl dies gegen Leitlinien verstößt“, heißt es in der Pressemitteilung. So werde falsches Handeln vergütet, statt korrektem Unterlassen – und damit die Entfernung zu vieler eigentlich gesunder Eierstöcke. Dazu käme die psychische Belastung durch mögliche Fehlalarme, hält auch der IGeL-Monitor fest.
Dagegen stehen allerdings auch andere Patientenaussagen. Zum Beispiel die einer jungen Frau, die DocCheck bekannt ist, aber anonym bleiben möchte: „Ich habe mir vor Jahren eine Kupferkette legen lassen. Mit dem Wissen, dass sich ein Fremdkörper in mir befindet, ist die Ultraschalluntersuchung für mich sehr wichtig.“
Selbst ohne die Kupferkette sei das Screening eine Maßnahme, die die Patientin weiter nutzen und auch selbst bezahlen würde. Sie gebe ihr zudem das Gefühl, umfassend untersucht worden zu sein und eine gute Krebsvorsorge erhalten zu haben.
Jetzt hat der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) zum Thema Stellung genommen. Der Verein beschreibt sich selbst als „Sprachrohr und Plenum aller Gynäkologinnen und Gynäkologen in Kliniken und Praxen“ und wolle in dieser Funktion vor allem die Interessen von Frauenärzten in der Öffentlichkeit vertreten. Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) kritisiert der Verband die Auswertung der Bertelsmann-Stiftung in einer Pressemitteilung.
Dort heißt es, dass sich die Bertelsmann-Autoren auf veraltete Studiendaten bezogen hätten. Diese seien dem Portal gesundheitsinformationen.de entnommen, das vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) herausgegeben wird. Was dort nicht stehe: Neuen Erkenntnissen zufolge trage eine Ultraschalluntersuchung zu einer signifikanten Senkung der Sterblichkeit bei Ovarialkarzinomen bei.
Das IQWiG habe frühere Hinweise der DGGG darauf und auf die aktuelle Studien- und Leitlinienlage ebenso ignoriert, wie die Bertelsmann-Stiftung. Sie hätten die deutschen Medien also bewusst falsch informiert. Diesen Vorwurf verschärfen die Vertreter der beiden Verbände BVF und DGGG im Abschluss ihrer Mitteilung: „Wem dienen diese Fehlinformationen, wem dienen diese beiden Institutionen? Der Selbstbestimmung von Frauen, dem Recht der Frauen auf Gesundheit und Unversehrtheit dienen sie jedenfalls nicht.“
Die Reaktion des IQWiG kam schnell – nur zwei Tage später reagierte das Institut mit einer eigenen Pressemitteilung auf die Vorwürfe der beiden Verbände. Diese seien „haltlos“, heißt es dort. Denn die aktuelle Studienlage sei sehr wohl bei der Auswertung für gesundheitsinformationen.de berücksichtigt worden. Die Bertelsmann-Stiftung stütze sich also nicht auf veraltete Daten.
Dazu komme ein weiterer Aspekt, der die Relevanz der Studien betrifft, die die Verbände in ihrer Kritik an der Auswertung anführen. Denn die Aussage, dass bei jeder zweiten Eierstock-OP bei Verdacht auf Ovarialkarzinom auch maligne Veränderungen gefunden werden, stütze sich auf eine Studie mit lediglich 131 Frauen, die zudem in einer einzigen Klinik durchgeführt wurde.
„Wir sind offen gesagt erschrocken, dass das Board der Frauenärzte diese Studie anführt, um die Ergebnisse internationaler Vergleichsstudien [hier und hier] mit über 200.000 Frauen infrage zu stellen“, sagt Jürgen Windeler, Leiter des IQWiG. Bleibt abzuwarten, ob die Verbände darauf reagieren werden.
Die Gynäkologen unter euch sind gefragt: Was haltet ihr von der transvaginalen Ultraschalluntersuchung als Teil der Krebsvorsorge? Schreibt einen Kommentar unter diesem Artikel oder ein ausführlicheres Statement an feedback_news@doccheck.com.
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