Eine extrem salzreiche Kost führt bei Mäusen dazu, dass sie zunehmend Gedächtnisprobleme entwickeln. Inwiefern lassen sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen?
Dass eine salzreiche Ernährung Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördert und die Durchblutung des Gehirns verringert, ist nicht neu. Die Ursache für den Zusammenhang zwischen einem übermäßigen Salzkonsum und Demenzerkrankungen liegt aber möglicherweise an anderer Stelle: Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Neurowissenschaften in Chicago wurde eine kürzlich erschienene Nature-Studie vorgestellt, in der nachgewiesen wurde, dass zu viel Salz bei Mäusen zu einer Hyperphosphorylierung von Tau-Proteinen führt, die sich daraufhin im Gehirn ansammeln.
Schon im vergangenen Jahr hatte Giuseppe Faraco von der Cornell University in Ithaca (New York) in Tierversuchen Hinweise darauf gesammelt, dass möglicherweise nicht die Endothelzellen des Gehirns, sondern T-Helferzellen im Darm Schuld an den Gedächtnisstörungen sind: Sie produzieren bei einer salzreichen Ernährung große Mengen Interleukin-17, das die Freisetzung von endothelialem Stickstoffmonoxid (NO) hemmt. Dadurch wurde der zerebrale Blutfluss um etwa 25 Prozent gesenkt, was Faraco aber nicht für ausreichend hielt, um die beobachteten Gedächtnisstörungen zu erklären.
Er machte sich deshalb mit seinen Kollegen auf die Suche nach weiteren Ursachen und stellte fest, dass der Mangel an NO zu einer Aktivierung von Kinasen führte, die Tau phosphorylieren. Dadurch veränderte sich die Löslichkeit des Proteins, so dass das hyperphosphorylierte Tau seine normale Funktion als Teil des Zytoskeletts nicht mehr wahrnehmen konnte. Stattdessen bildeten sich Aggregate, die zur Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen führten: Die Mäuse hatten z.B. Mühe neue Objekte in ihren Käfigen zu erkennen und irrten länger als gewöhnlich in einem Labyrinth umher.
Dass tatsächlich das phosphorylierte Tau-Protein Ursache der geistigen Defizite war, konnten die Forscher nachweisen, indem sie einigen Tieren während der Hochsalz-Diät Antikörper gegen Tau verabreichten. Bei diesen Tieren kam es nicht zu Tau-Ansammlungen und trotz einer verminderten Hirndurchblutung auch nicht zu Gedächtnisstörungen. Knock-out Mäuse, die kein Tau-Protein besitzen, blieben unter der salzreichen Ernährung ebenfalls von kognitiven Einbußen verschont. Das spricht dafür, dass die geistigen Defizite nicht, wie bislang angenommen, durch die verringerte Hirndurchblutung, sondern durch die Modifikation von Tau hervorgerufen werden. In umfangreichen Experimenten haben die Wissenschaftler weitere Teile der Signalkaskade identifiziert, die von der Ausschüttung von IL-17 bis zur Phosphorylierung des Tau-Proteins führt.
Die Mäuse wurden 4-24 Wochen lang auf eine Diät gesetzt, die 4-8 Prozent Kochsalz (NaCl) enthielt, das 8- bis 16-fache der normalen Salzmenge im Mäusefutter. Zum Vergleich: Meerwasser enthält etwa 3,5 Prozent NaCl. Würde man einem Menschen die 8- bis 16-fache Menge der empfohlenen 5-6 Gramm Salz pro Tag zuführen, so würde ein 70 Kilogramm schwerer Mensch eine Dosis von 0,6-1,4 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen – eine Menge, bei der erste akut toxische Symptomen auftreten können (ab 0,5-1 g/kg KG). Auch wenn die übliche Salzaufnahme mit 8-10 Gramm pro Tag etwa doppelt so hoch ist wie die von der WHO empfohlene Zufuhr, so ist man selbst bei einer schlechten Ernährungsweise von solch einer Extremkost weit entfernt.
Ob die Ergebnisse auf den Menschen übertragen werden können, bleibt ungewiss. Dr. Costantino Iadecola, Leiter des Labors, in dem Faraco die Experimente durchführte, nahm die Ergebnisse dennoch zum Anlass, vor dem Salzgehalt in verarbeiteten Lebensmitteln zu warnen: „Das Zeug, das für uns schlecht ist, stammt nicht aus einem Salzstreuer, sondern aus prozessierten Lebensmitteln und Restaurantmahlzeiten.“
Die Ernährungsberaterin Dr. Joanna McMillan gibt zu bedenken: „Was bei Mäusen passiert, passiert nicht immer beim Menschen, aber Tierstudien bieten uns die Möglichkeit, nach plausiblen biologischen Mechanismen zu suchen, wie dies hier der Fall ist. […] Die menschliche Ernährung ist komplexer als die eines Nagetiers und in dieser Studie war der Salzgehalt extrem hoch.“ Sie hält es für wahrscheinlich, dass eine Ernährung mit viel Salz in Kombination mit ungesunden Fetten, raffinierten Kohlenhydraten und zu wenig vollwertigen Nahrungsmitteln für die Auswirkungen auf die kognitive Gesundheit verantwortlich ist.
Wesentlich kritischer äußert sich der emeritierte Professor John Funder, ehemaliger Präsident der Australian Society for Medical Research. Er bemängelt, dass Versuchstiere immer höheren, unphysiologischen Dosen verschiedenster Subtanzen ausgesetzt werden und die Ergebnisse dann unreflektiert auf den Menschen übertragen werden: „Die Extrapolation von Mäusen bei einer Salzaufnahme von acht Prozent auf die menschliche Situation mag reizvoll sein, ist aber in Bezug auf die Wissenschaft grob verantwortungslos.“
Trotz aller Kritik zeigen die Ergebnisse einen bisher unbekannten Weg auf, der Ernährungsgewohnheiten mit der kognitiven Gesundheit verbindet. Weitere Experimente müssen zeigen, welche Rolle er für realistische Salzkonzentrationen in der Ernährung spielt.
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