Zwei Experten diskutieren: „In der kardiovaskulären Medizin ist eine Zeit angebrochen, in der die Unterscheidung zwischen Chirurg und Internist keinen Sinn mehr ergibt“, sagt der eine. Was sagt der andere?
Das Video in schriftlicher Form:
Dr. Stefan Waller: Herr Professor Falk, alle reden über die spektakulären Erfolge der interventionellen – also katheterbasierten – Kardiologie. Was sind denn aus Sicht des Herzchirurgen die entscheidenden Entwicklungen und Erfolge in der Herzchirurgie?
Prof. Volkmar Falk: Hier muss ich korrigierend sagen, dass der Erfolg der interventionellen Klappentherapie ja auch mit aus der Herzchirurgie kommt. Und auch nach wie vor sind wir daran beteiligt. Das ist also keine rein kardiologische Domäne, sondern diese Eingriffe sind mit herzchirurgischer Expertise entwickelt worden und werden auch von uns gemeinsam mit der Kardiologie durchgeführt. Wir sind also an dieser Entwicklung durchaus beteiligt.
Auch bei den MitraClips® ist es nicht so, dass es nur interventionell kardiologisch gemacht wird, sondern auch herzchirurgisch. Wir haben uns da weiterentwickelt. Richtig ist, dass sich die Disziplinen weiter aufeinander zubewegen.
Was uns in der Herzchirurgie in den letzten Jahren besonders beschäftigt hat, sind rekonstruktive, erhaltende Klappenverfahren, die wir minimal-invasiv mit endoskopischer Unterstützung durchführen. Die Rekonstruktionsrate beträgt in guten Zentren mittlerweile 95 % und auch die Langzeitergebnisse sind sehr gut.
Das heißt, nur Patienten mit massiven Verkalkungen an den Herzklappen brauchen dann einen Mitralklappenersatz?
Ja, das ist dann notwendig. Aber nicht-verkalkte Klappen können wir in der Regel rekonstruieren.
Vorhin haben Sie schon angesprochen, dass die TAVI einen wahrlichen Siegeszug erlebt hat. Mittlerweile werden ja sogar auch andere Herzklappen interventionell behandelt – trauen Sie diesen Techniken einen vergleichbaren Siegeszug zu?
Bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz beispielsweise ist ja das Hauptproblem der dilatierte linke Ventrikel. Hier kommt es dann sekundär zu einer Mitralklappeninsuffizienz. Diese Patienten profitieren unter Umständen vom MitraClip® – das hat vor allem der COAPT-Trial gezeigt.
Im MITRA-FR-Trial wurden Patienten mit einem weiter fortgeschrittenen Stadium eingeschlossenen. Bei diesen Patienten muss man sich überlegen, ob sie nicht eher für ein Kunstherz geeignet sind. Die Rekonstruktion würde am Verlauf nichts mehr ändern und es kommt zu Rezidiven. Das kennen wir auch aus der Chirurgie: Wenn die Mitralrekonstruktion bei einem Ventrikel gemacht wird, der 6.5 cm überschritten hat und der Zug auf den Segeln sehr stark ist, dann sehen wir auch eine hohe Rezidivrate.
Der MitraClip® bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz mit guten Voraussetzungen ist also sicherlich ein sinnvolles Verfahren.
Das Cardioband ist technisch etwas schwieriger, da ist die Indikationsstellunng entscheidend. Das hilft natürlich bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz nur bedingt – genau wie der chirurgische Ring. Bei einer Typ-1-Pathologie, also mit einer anulären Dilatation – zum Beispiel bei Patienten mit chronischem Vorhofflimmern – kann durch die Reduktion des Anulus das Problem beseitigt werden. Da kann so ein Anuloplastieband also helfen.
Es kommt hier eben wirklich sehr auf die Indikationsstellung und die richtige Auswahl der Pathologie an, weshalb man sich vorher sehr gut mit der Echokardiographie beschäftigen sollte.
Bei der Trikuspidalklappe wiederum werden viele Verfahren diskutiert. Davon sind einige jetzt schon in klinischen Trials. Die Ergebnisse sind aber sehr durchwachsen. Aus der chirurgischen Erfahrung wissen wir, dass es sehr von der Rechtsherzbeteiligung abhängt, wie gut eine Trikuspidalklappeninsuffizienz noch behandelt werden kann. Die Ergebnisse bei interventionell behandelten Patienten mit sehr schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz und fortgeschrittener Rechtsherzinsuffizienz sind auch langfristig nicht gut. Für dieses Problem haben wir also noch keine zufriedenstellende Lösung.
Gibt es denn etwas, das in Entwicklung ist?
Es gibt einiges in Entwicklung, entscheidend ist aber immer die rechtsventrikuläre Funktion. Die Frage, ob es zu einem reverse remodeling am rechten Ventrikel kommen wird, kann auch niemand wirklich beantworten.
Stichwort Heart Team: Die Grenzen zwischen interventioneller Kardiologie und Herzchirurgie schwinden zunehmend – inwieweit macht dann eine Trennung dieser Disziplinen überhaupt noch Sinn?
Das ist eine gute Frage. Meiner Meinung nach sollten wir uns von interdisziplinären Grenzen wegbewegen. Also weg von Kardiologie/Herzchirurgie und hin zu interdisziplinären Teams, die Kompetenzen bündeln. Für mich macht es keinen Unterschied, aus welchem „Stall“ jemand kommt, wichtiger ist die Kompetenz. Deswegen wollen wir in Zukunft die Curricula verändern. Bis Fachgesellschaften und Ärztekammern das natürlich machen, kann es sehr lange dauern und manche Peer Groups mögen das auch nicht für sinnvoll halten. Tatsächlich leben wir aber in einer Zeit, in der die klassische Trennung zwischen Chirurg und Internist in der kardiovaskulären Medizin keinen Sinn mehr macht.
Dieses Video wurde transkribiert von Nick A. Nolting.
Bildquelle: Akshay Nanavati, unsplash