Verschiedene Wissenschaftler gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn sie untersuchen, welche Mutationen im Erbgut für das Krebswachstum verantwortlich sind. Nun sollen Standards und Richtlinien helfen, bei den Analysen einheitlicher vorzugehen.
Krebsmediziner nutzen Informationen aus dem Tumor-Erbgut, um individualisierte Therapien für Krebspatienten finden. Sie suchen in der Erbinformation der Krebszellen nach Mutationen, die das Wachstum bösartiger Zellen antreiben. Gegen viele dieser krebstypischen Zellveränderung können Wirkstoffe gezielt eingesetzt werden. Ein Team von Experten des Internationalen Krebsgenom-Konsortiums (ICGC) wollte wissen, wie zuverlässig Labore weltweit einzelne Krebsmutationen identifizieren und startete einen Ringversuch: Die DNA eines Tumors wurde zur Sequenzierung an fünf ICGC-Labore verteilt und die daraus resultierenden Sequenzdatensätze in ihrer Qualität verglichen. Der qualitativ beste Datensatz wurde an siebzehn weitere ICGC-Institutionen zur bioinformatischen Auswertung weitergegeben.
Sowohl beim Sequenzieren als auch beim Auswerten wichen die Ergebnisse teilweise erheblich voneinander ab. Von etwa tausend kleinen Mutationen, die jeweils nur den Austausch einer einzelnen DNA-Base betrafen, wurden lediglich 40 Prozent von allen teilnehmenden Teams einheitlich erkannt. Noch ungünstiger war das Ergebnis bei kleinen DNA-Verlusten oder Insertionen: Nur eine einzige unter 337 dieser Erbgutveränderungen fiel allen Zentren zugleich auf. Das Expertenteam unter der Leitung von Ivo Gut vom Nationalen Centrum für Erbgutanalysen in Barcelona sowie Roland Eils und David Jones vom Deutschen Krebsforschungszentrum entwickelte daraufhin Maßnahmen, um diese Situation zu verbessern.
Die im Ringversuch verwendete DNA-Sequenz, die von den beteiligten ICGC-Labore inzwischen gemeinsam bis zu 300 mal sequenziert und mit sonst kaum erreichter Genauigkeit analysiert wurde, steht nun als Download zur Verfügung. Sie soll als eine Art Goldstandard dienen. Labore, die neu in die Krebsgenom-Analyse einsteigen, können an diesem Datensatz überprüfen, ob sie mit ihren bioinformatischen Methoden alle darin verborgenen Mutationen aufspüren. Darüber hinaus hat das Team Auswertungsrichtlinien entwickelt, die unter anderem die Schwellenwerte für die Detektion einer Mutation festlegen. „Da die Tumorgenom-Analyse immer stärker Einzug in die Krebsmedizin hält, ist eine rigorose Qualitätskontrolle notwendig – wie bei allen anderen Diagnoseverfahren auch“, so David Jones. „Letztendlich kann das Überleben eines Patienten davon abhängen, ob eine bestimmte Mutation gefunden wird, gegen die es bereits ein wirksames Medikament gibt.“ Ivo Buchalter vom DKFZ, einer der Erstautoren der aktuellen Arbeit, erklärt: „Mithilfe unserer Maßnahmen konnten bereits mehrere Gruppen ihre Ergebnisse erheblich verbessern.“ Originalpublikation: A comprehensive assessment of somatic mutation detection in cancer using whole genome sequencing Tyler S. Alioto et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms10001; 2015