Ein Interview zum Thema Cannabis-Legalisierung sorgt derzeit für überraschte Gesichter. Denn die Unionspolitiker geben sich so aufgeschlossen wie nie.
Bisher war die Aufteilung klar, wenn es um die Legalisierungsfrage bei Cannabis ging: Es gab zwei politische Lager. Auf der einen Seite SPD, Grüne, FDP und Linke, die sich für eine kontrollierte Freigabe aussprechen. Auf der anderen Seite CDU/CSU und AfD, die genau das kategorisch ablehnen. Jetzt hört man aus dem konservativen Lager plötzlich ganz neue Töne.
Wie der Gesundheitsminister zu Cannabis steht, hat er schon mehrmals erklärt. „Ich bin da kein Ideologe“, sagte Jens Spahn etwa in einem Gespräch mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. Dafür beziehen andere Parteikollegen klar Stellung. „Man muss die gesellschaftlichen Realitäten anerkennen“, wird etwa Marian Wendt (CDU) in einem Beitrag des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert. Anbau und Abgabe müssten kontrolliert werden, dann sei Cannabis für den Eigenbedarf möglich. Dadurch würden in den Bereichen Polizei und Justiz dann Ressourcen frei, die „sollten genutzt werden, um massiv gegen den illegalen Handel vorzugehen“, argumentiert Wendt. Auch Gesundheitspolitikerin Karin Maag von der CDU kommt zu Wort und betont, dass man über diesen Schritt schon seit Jahren nachdenke. „Natürlich wird man nicht vom einmaligen Gebrauch süchtig.“
Schon im September sagte die neue Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig von der CSU, es sei Zeit für einen Neuanfang in der Drogenpolitik. Sie wolle weg von der Verbotspolitik und sich erst einmal anschauen, wie Nachbarländer es mit Cannabis handhaben. In Deutschland sehe sie „eine große gesellschaftliche Spaltung“, wenn es um die Grundsatzfrage gehe, ob Cannabis denn nun legalisiert werden solle oder nicht. An dieser Stelle weist Maag auf einen mangelhaften Jugendschutz hin. Eine Erneuerung hält sie für eine notwendige Grundlage, bevor über nächste Schritte nachgedacht werden sollte: „Bisher [ist] der Jugendschutz nirgendwo überzeugend geregelt. Und gerade für diese Gruppe – für die jungen Menschen – ist auch der gelegentliche Konsum gesundheitsschädigend. Das haben viele Anhörungen ergeben.” In welcher Weise Cannabis entkriminalisiert werden sollte, darüber wird aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen der Parteien bisher ohne Ergebnis diskutiert.
Was die Debatte über Cannabis so besonders macht, sind seine zwei Gesichter: Die meisten sehen in der Pflanze ein Rauschmittel, aber die Zahl jener Menschen, die Cannabis als Arzneimittel betrachten, wird stetig größer. Viele Patienten berichten über positive Erfahrungen mit Medizinalhanf, auch in der Wissenschaft erscheinen laufend neue Studien zur Anwendbarkeit von Cannabis, etwa in der Schmerztherapie. So groß die Euphorie bei manchen Konsumenten und Forschern auch ist, es konnte bislang keine ausreichende Evidenz für die therapeutische Wirkung von Cannabis erzielt werden.
Zwar stellt die kontrollierte Gabe von Medizinalhanf an Patienten in der Debatte nur einen Randaspekt dar, man kann sie aber auch nicht von der Legalisierungsfrage loslösen. Eine Entkriminalisierung des Cannabiskonsums hätte automatisch auch Auswirkungen auf die Anwendung in der Medizin, bei der es aktuell noch häufig zu Problemen bei der Organisation und Verwaltung kommt, das Stichwort lautet hier Genehmigungsverfahren. Durch eine Legalisierung von Cannabis würden sich wohl auch in der medizinischen Versorgung viele Dinge ändern.
Uns würde deshalb interessieren, was unsere Community von einer möglichen Legalisierung von Cannabis hält. Wir sind gespannt auf das Ergebnis unserer Twitter-Umfrage und auf eure Kommentare.
Bildquelle: Jaime Lopes, unsplash