Die Haut von Neurodermitis-Patienten wird von anderen Keimen besiedelt als die Haut von Gesunden. Anhand dieser Erkenntnis wollen Forscher eine neue Therapie entwickeln: Ein topisches Spray mit Hautbakterien von Gesunden zeigt bei Patienten nun erste Erfolge.
Bei Kindern ist Neurodermitis besonders häufig. In westlichen Ländern leidet jedes fünfte Kind an dem atopischen Ekzem. Die genauen Ursachen sind unbekannt, Wissenschaftler sprechen von Gen-Umwelt-Interaktionen. Sowohl das Erbgut als auch der Lebensstil spielen beim Ausbruch der Erkrankung eine Rolle. Seit Jahren ist außerdem bekannt, dass die Haut von Patienten oft stark mit Staphylococcus aureus kolonisiert ist. Sie werden über entzündliche Prozesse mit einer Krankheitsprogression in Verbindung gebracht. Das schwächt die geschädigte Hautbarriere zusätzlich. Forscher berichten nun von einer neuen Therapiemöglichkeit. Sie besteht darin, das Hautmikrobiom von Patienten zu verändern, um Krankheitsprozesse positiv zu beeinflussen. Im Mittelpunkt steht dabei der Hautkeim Roseomonas mucosa.
Die Forscher übertrugen R. mucosa von gesunden Personen auf erkrankte Mäusehaut. Sie fanden heraus, dass der Keim den Krankheitsprozess bei den Tieren positiv beeinflussen konnte. Im Gegensatz dazu hatten R.-mucosa-Stämme von Neurodermitis-Patienten entweder keinen Einfluss oder verschlechterten pathologische Vorgänge in dem Modellsystem. Basierend auf diesen präklinischen Ergebnissen entschlossen sich Ian Myles vom NIH Clinical Center in Bethesda, Maryland, eine klinische Phase-1/2-Studie durchzuführen. Zusammen mit Kollegen untersuchte er die Sicherheit und Wirksamkeit von lebenden R. mucosa-Kulturen bei Patienten mit Neurodermitis. Alle Proben kamen von der Haut gesunder Probanden und wurden nach der Isolation im Labor vermehrt. Zehn erwachsene Patienten erhielten die Keime als Spray. Über sechs Wochen hinweg mussten sie zweimal pro Tag die Suspension aufsprühen, ihre normale Pharmakotherapie aber fortführen. Später nahmen auch fünf Kinder zwischen neun und 14 Jahren teil. Komplikationen traten während der gesamten Laufzeit nicht auf. Laut Myles verbesserten sich die Beschwerden bei sechs von zehn Erwachsenen und bei vier von fünf Kindern um mehr als 50 Prozent. Gleichzeitig benötigten sie weniger topische Steroide. Zur Quantifizierung zogen Forscher den Score of Atopic Dermatitis (SCORAD) heran. Per Fragebogen erfassten sie Details zur betroffenen Hautfläche, zum Schweregrad und zur Stärke der Beschwerden. Ihre Ergebnisse sind vielversprechend, weisen aber eine zentrale Schwäche auf: Da keine Placebo-Gruppe eingeschlossen wurde, lässt sich der tatsächliche Effekt kaum beurteilen.
Die Wissenschaftler führen aber Mechanismen an, um ihren Effekt zu begründen: Myles zufolge sondern R. mucosa-Isolate von Neurodermitis-Patienten Stoffwechselprodukte mit hautreizenden Eigenschaften ab. Stämme von gesunden Probanden bildeten jedoch Moleküle, die Hautbarrieren verstärkten und das Immunsystem regulierten. Leitlinien zufolge sollten Neurodermitis-Patienten in allen Stadien ausreichende Mengen an Basispflege-Produkten einsetzen. Zukünftig müssen Patienten bei der Wahl der Hautpflegeprodukte wohl noch vorsichtiger sein: Die Forschen fanden auch heraus, dass einige Inhaltsstoffe handelsüblicher Pflegeprodukte das Wachstum von R. mucosa hemmten, aber kaum Wirkung auf S. aureus hatten. Myles fand den Effekt vor allem bei Konservierungs- und Feuchthaltemitteln.