Ein Großteil der deutschen Krankenhäuser ist marode und veraltet. Das ist keine Neuigkeit, aber Lösungsvorschläge gibt es trotzdem kaum. In Köln hat man eine ganz eigene Idee.
Wenn es um den schlechten Zustand kommunaler Krankenhäuser in Deutschland geht, wird in der Regel eine Frage gestellt: Liegt es an den Kliniken oder am Gesundheitssystem? Für Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), ist die Sache klar: Es bestehe ein „systemisches Problem“ in der Finanzierung. Hinzu käme die große Anzahl der Krankenhäuser im Land. Auch steigende Personalkosten und Investitionen in teure Geräte und Gebäude spielten eine Rolle, sagt Baum im Deutschlandfunk.
Laut der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) bestehe in der Hauptstadt für die nächsten Jahre ein Investitionsbedarf von 3,5 Milliarden Euro. Die vorhandenen Einrichtungen seien vielfach weder baulich noch technisch auf dem aktuellen Stand, müssten aber in jedem Fall gerettet werden. Denn: Sie bilden den „Kern der milliardenschweren Berliner Gesundheitswirtschaft“, so die Berliner Zeitung.
Die aktuelle Situation von Kliniken lässt sich besser anhand eines Beispiels nachvollziehen. So wird auch in Köln die Zukunft der städtischen Kliniken bereits seit Jahren heiß diskutiert. Immer wieder ist von einem Zusammenschluss die Rede – von einem Klinikverbund aus Uniklinik und städtischen Kliniken, der eine „Charité des Westens“ werden soll.
Die Stadt Köln würde dabei allerdings die Kontrolle über ihre Kliniken verlieren. Denn die Uniklinik fordere eine Mehrheitsbeteiligung an den städtischen Kliniken von mindestens 50,1 und maximal 75 Prozent, heißt es. Die Stadt Köln würde somit sämtliche Entscheidungsbefugnis in diesem Bereich aufgeben; ein Aspekt, der von mehreren Seiten kritisiert wird.
Zwischen den Zeilen der Kölner Rundschau liest man unterdessen sanften Spott: Köln schiele „vom Rhein in Richtung Spree.“ Und zwar schon allein wegen des zu erwartenden Prestiges, was der Produktion nicht nur einer, sondern gleich dreier ARD-Serienstaffeln würdig sei. Umsätze in Milliardenhöhe seien aber natürlich ein weiterer Anreiz. Denn als Hauptgrund für eine Fusion wird die problematische finanzielle Lage der städtischen Kliniken angegeben.
Diese wurde Anfang März dieses Jahres bekannt, als die städtischen Kliniken einen Insolvenzanwalt auf ihre Situation angesetzt hatten. Durch einen Zusammenschluss würden Arbeitsplätze gesichert und Privatisierungen verhindert, hieß es darauf in den Medien.
Auch für Forschung und Lehre böten sich neue Chancen, beispielsweise für klinische Studien. „Damit würde die Möglichkeit geschaffen werden, zu den hier führenden Hochschulmedizinstandorten Berlin, München und Heidelberg aufzuschließen“, schreibt die Landesregierung NRW in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD vom Mai 2019.
Die Debatte flammte erneut auf, als daraufhin im Juni bekannt wurde, dass im Zuge dieser Pläne eventuell die Klinik im Kölner Stadtteil Holweide geschlossen werden solle. Den städtischen Kliniken drohe, so ein externes Gutachten, andernfalls ein jährliches Minus von 6 Millionen Euro. Neben Holweide seien auch die Standorte in in den Kölner Stadtteilen Riehl und Merheim für Schließungen im Gespräch, insgesamt würden 100 Millionen Euro benötigt.
Auf Grund des maroden Zustands des Klinikums Holweide und der hohen Verluste, die das Krankenhaus jährlich mache, sei eine Schließung dieses Standorts am wahrscheinlichsten. Mit einem Darlehen über 25 Millionen Euro entschärfte der Finanzausschuss der Stadt die Situation im Juni 2019 kurzfristig.
Doch auf lange Sicht werden weitere Millionen an Sanierungsgeldern benötigt. Vor dem Hintergrund des geplanten Klinikverbundes scheint die Schließung der Klinik Holweide momentan die einzige Alternative zu sein.
Dieser vermeintliche Ausweg aus der Krise ist umstritten. Kritiker befürchten, dass die medizinische Versorgung im rechtsrheinischen Teil von Köln vollständig zusammenbrechen würde. Ein Hausarzt aus dieser Gegend gibt unter anderem zu bedenken, dass 2018 bereits drei Hausarztpraxen in der Gegend geschlossen worden seien. Hinzu käme außerdem die Schließung einer lokalen Notfallpraxis. Damit verbleibt lediglich eine rechtsrheinische Notfallpraxis im Krankenhaus Kalk – die dementsprechend überlastet ist. „Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, auch noch das Krankenhaus Holweide zu schließen“, sagt Karl Lauterbach (SPD) im Kölner Stadtanzeiger.
Auch auf lokalpolitischer Ebene stößt der geplante Schritt auf Ablehnung. Aktuell engagieren sich die Bürgervereinigung Holweide und der Bürgerverein Dellbrück für den Erhalt der Klinik in Holweide. Die Mitglieder der beiden Interessensvertretungen zweifeln zudem an der Berechtigung der Entscheidung. „Eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung ist im Gesundheitswesen fehl am Platz“, meint zum Beispiel Günter Kühler, Bürgervereinigung Holweide.
Die Methodik des erstellten Gutachtens wird ebenfalls infrage gestellt; es sei offenbar anhand privatwirtschaftlicher Kriterien erstellt worden, so Johann Ulrich Keppeler vom Bürgerverein Dellbrück. „Das darf doch nicht bei der Daseinsvorsorge angewandt werden“, sagte er gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Der genaue Inhalt dieses Gutachtens sei außerdem nur wenigen Personen bekannt und nicht öffentlich zugänglich. Das müsse sich, aus Sicht der Vereine, ebenfalls schnell ändern.
Dass das Gutachten an sich schon fast 1 Million Euro gekostet haben soll und damit ironischerweise mehr als dreimal so teuer ist, wie ursprünglich kalkuliert war, wird unterdessen wenig diskutiert.
Von der Stadt Köln selbst gibt es noch nichts Neues zur Sache – nachdem die Idee von der „Charité des Westens“ zuerst so hektisch vorangetrieben wurde, scheint sie jetzt zu ruhen. Die letzte Meldung zum Thema ist ein offener Brief des Kölner Bündnis für mehr Personal im Gesundheitswesen vom September dieses Jahres. Darin heißt es unter anderem, dass die medizinische Versorgung der Kölner durch die Pläne gefährdet werde und der Klinikverbund „an einer Bürgeröffentlichkeit vorbei“ durchgebracht werden solle.
Ärzte, Pfleger und weitere Klinikmitarbeiter würden bereits unter aktuellen Bedingungen von Dauerstress, zu hoher Belastung und zu dünner Personaldecke berichten, so die Verfasser des offenen Briefs weiter. Laut Kölner Bündnis müsse ein möglicher Ausweg aus der Situation Gesundheit und Versorgung berücksichtigen, nicht Wirtschaftlichkeit und Profit.
Der Bezirksbürgermeister von Köln-Mülheim bringt die Sorgen der Beschäftigten und Anwohner ähnlich auf den Punkt: „Wir leisten uns für 700 Millionen Euro ein Schauspielhaus, aber bei einem Krankenhaus denkt man tatsächlich darüber nach, dass man wirtschaftlich arbeiten muss und ist nicht bereit, finanzielle Mittel bereitzustellen.“
Morgen wird das Thema gleich dreimal in einer Ratssitzung besprochen – im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung. Wie auch immer die Zukunft der Kölner Kliniken aussieht, die Umsetzung der Pläne wird sich voraussichtlich noch bis Ende 2022 hinziehen.
Was sagt ihr: Müssen Kliniken immer rentabel sein? Sollte im Zweifel eine Schließung, als radikale Lösung, finanzielle Probleme beseitigen? Und wie steht ihr zum Plan einer „Charité des Westens“? Schreibt einen Kommentar oder meldet euch bei der Redaktion unter feedback_news@doccheck.com.
Bildquelle: Muhammad Haikal Sjukri, Unsplash