Viele Apotheken gelten mittlerweile als unverkäuflich. Das muss nicht sein: Wer rechtzeitig am Marketing, an der Personalstruktur und an der Offizinausstattung arbeitet, hat gute Karten, seine Bilanzen zu optimieren. Zündende Ideen sind wichtiger als riesige Budgets.
Karin Wahl Preziosen oder Schrott – Karin Wahl kennt die unterschiedlichsten Apotheken. Über Jahre hinweg war sie selbst Inhaberin und Präsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Heute arbeitet Wahl als Beraterin und veröffentlicht Fachbücher zu betriebswirtschaftlichen Themen. „Immer mehr Apotheken befinden sich in der typischen Umsatzverteilung links vom Durchschnitt“, sagt Wahl. Die Messlatte liegt ABDA-Angaben zufolge bei rund zwei Millionen Euro. „Mit 1,4 oder 1,5 Millionen ist immer noch ein Verkauf als Filiale möglich, falls alle anderen Parameter stimmen.“ Deutlich niedrigere Werte lassen sich in vielen Fällen optimieren. Die Expertin setzt auf unterschiedliche Maßnahmen. Mit Effekten rechnet sie schon nach einem Jahr, falls Kollegen ihre Empfehlungen befolgen. Einige Beispiele.
Personalisiertes Marketing bindet Kunden optimal. „Wer bereit ist, noch einmal durchzustarten, verbessert die Chancen für einen erfolgreichen Verkauf und profitiert bis dahin sogar selbst noch vom Erfolg", erklärt Karin Wahl. Soweit die Theorie. In der Praxis wissen Apothekenleiter oft recht wenig über ihre Zielgruppe. Ein Blick in die EDV reicht aus, um zu sehen, wer besonders häufig in der Offizin ist. Dazu gehören junge Mütter, falls ein Kinderarzt in der Nähe ist, oder Sportler, Senioren beziehungsweise Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen. Bei Landapotheken ist noch lange nicht Hopfen und Malz verloren, sollte es keine Möglichkeit zur Clusterung geben. „Sprechen Sie Kitas, Schulen, Vereine oder wohltätige Einrichtungen an“, sagt Wahl. Ein Bastelwettbewerb und eine Fotoausstellung im Schaufenster ziehen viele Menschen zur Apotheke. „Man kann auf sehr elegante Art ohne großes Budget Kunden an sich binden.“ Apropos Werbeflächen: Wahls Tipp ist, bereits im Herbst ein saisonales Konzept für das Folgejahr zu erarbeiten. Klassiker wie „Gesund im Frühling“, „Reisezeit“ oder „Gut durch den Winter“ gehören mit dazu. Wissenschaftlichere Apotheken setzen auf den Tag der Zahngesundheit, der Osteoporose oder das „Präparat des Monats“ bei alternativen Heilverfahren. Vorträge zu Reisemedizin, zur Homöopathie oder zu Impfungen runden das Profil ab.
Im besten Fall besuchen Kunden anschließend die Apotheke. Ob sie sich wohlfühlen oder nicht, entscheidet sich in der Offizin. Mit Holzflächen im Stile der 1960er-Jahre lässt sich heute kein Staat mehr machen. Wahl rät Inhabern, rechtzeitig zu renovieren. Verspiegelte Flächen mit ein paar Strahlern rücken die Freiwahl und die Sichtwahl ins moderne Licht – „Wow-Effekt“ bei Patienten inklusive. Wer jetzt an teure Umbaumaßnahmen denkt, irrt sich gewaltig. „Oft reichen Materialien aus dem Baumarkt“, so Karin Wahl. Sie hat noch weitere Verbesserungsvorschläge parat: „Aufsteller mit Traubenzucker, dem billigsten Artikel, haben auf dem HV-Tisch neben den Kassen nichts zu suchen.“ Bereits eine günstige Handcreme sei profitabler als die Traubenzuckerrolle. Viele Ideen – ein kleinster gemeinsamer Nenner: „Bringen Sie Leben in die Bude!“
Nicht immer brummt der Bär. Am Mittwochnachmittag sollte die Apotheke trotzdem offen bleiben, falls andere Einzelhandelsunternehmen ihre Dienste anbieten. Eine Idee für wenig frequentierte Zeiten: „Bieten Sie Kunden gezielt an, ihren Blutdruck, Blutzucker oder BMI zu bestimmen“, so Karin Wahl. Auch beim Medikationsmanagement punkten Apotheker trotz Hermann Gröhes E-Health-Gesetz. Kein Pharmazeut sollte sich mit der Statistenrolle begnügen, sondern gezielt auf Kunden zugehen. Solvente Senioren investieren gerne in ihre Gesundheit, auch für zeitintensivere Brown Bag-Reviews. Gleichzeitig binden sie sich an ihre Apotheke. Als relativ neues Betätigungsfeld kommt das betriebliche Gesundheitsmanagement noch hinzu. Wahl: „Endlich einmal eine gut dotierte Dienstleistung, die jedes Unternehmen qua Gesetz ihren Mitarbeitern anbieten muss. Das können Apotheken ohne besondere aufwändige Schulungen leisten.“ Kleinere Firmen ohne eigenes BGM-Team schätzen Apotheken als Kooperationspartner. Läuft die Zusammenarbeit richtig an, bringen Mitarbeiter häufig Kassenrezepte in die Offizin. Mit guten Nettoumsätzen ist es beim Verkauf aber nicht getan.
„Älteres, vielleicht noch schlecht qualifiziertes Personal verschreckt potenzielle Interessenten“, weiß Karin Wahl. Sie verweist auf rechtliche Zusammenhänge: Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift zwar erst bei mehr als zehn Angestellten. Jedoch können Arbeitsverhältnisse beim Betriebsübergang weder vom alten noch vom neuen Arbeitgeber gekündigt werden (§ 613a Absatz 4 BGB). Außerdem bleiben kollektivrechtliche Verhältnisse, wie sie sich aus Tarifverträgen ergeben, ein Jahr bestehen (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Ob tatsächlich Tarifbindung besteht, ist unerheblich. „Eine reguläre Abfindung kann richtig ins Geld gehen“, warnt Karin Wahl. Besser sei, rechtzeitig das Personalproblem anzugehen, junge PTA oder Pharmaziepraktikanten zu engagieren und älteren Kollegen vielleicht eine Teilzeitstelle anzubieten. Summa summarum verjünge sich das Team – ein weiterer Pluspunkt für die geplante Übernahme, falls sich Verkäufer und Käufer einigen.
Das ist nicht immer der Fall. „Gerade älteren Kollegen rate ich, von ihren hohen finanziellen Erwartungen Abstand zu nehmen“, so Wahl. Preise nach dem Ertragswertverfahren entsprächen kaum der Realität. „Die Methodik lässt sich nicht eins zu eins auf Apotheken übertragen.“ Wahl berücksichtigt Komponenten wie die Zukunftsfähigkeit, die Personalstruktur, die geographische Lage, den Sanierungsbedarf oder sonstige Investitionen. Passen alle Parameter, ist die eigene Apotheke „keinesfalls schlecht oder ein schwieriges Metier“, sondern nach wie vor „der tollste Job“.