Jeder kennt die Situation: Für den Betroffenen ist es eine Grippe, für das Fachpersonal meist nur eine Erkrankung der oberen Atemwege. Hier meine Guideline zur Beratung in der Apotheke.
Jeder, der in der Apotheke arbeitet, kennt diese Frage: „Ich habe eine Grippe. Was können sie mir denn empfehlen?“ Und jeder hat die Replik auf der Zunge: „Wenn sie eine Grippe hätten, würden sie jetzt nicht vor mir stehen.“
Was viele Laien mit einer Erkältung verwechseln, ist für das Fachpersonal bekanntermaßen eine völlig unterschiedlich verlaufende Erkrankung. Wer den Weg in die Apotheke zur Beratung aber noch auf sich nehmen kann, der ist vermutlich Opfer einer oberen Atemwegserkrankung, einer Rhinosinusitis geworden.
Über 90 Prozent dieser Erkrankungen sind viral bedingt, sodass ein Einsatz von Antibiotika nicht nur unnötig, sondern im schlechtesten Fall auch noch schädlich sein kann. Die Behandlung erfolgt aus diesem Grund rein symptomatisch. Es existieren viele Leitlinien zur Selbstmedikation von Erkältungskrankheiten und die Vielfalt der Präparate, die von diversen Firmen angeboten werden, scheint schier unendlich. Hier kommt eine kurze Übersicht dazu, was aktuell und leitliniengerecht empfohlen werden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) rät in ihrer S3-Leitlinie bei akutem Husten von Erwachsenen vor allem zum Einsatz von Expektoranzien. Hier wird eine Kombination von Thymian und Efeu bzw. Thymian und Primel aus der Phytotherapie empfohlen. Diese rangieren noch vor N-Acetylcystein, Guaifenisin und Ambroxol, die eine widersprüchliche Evidenz bescheinigt bekommen.
Die DGP bezeichnet den akuten Virusinfekt des Atemtraktes als alltägliche und spontan ausheilende Erkrankung. Sie rät dazu, bei typischer Anamnese ohne klinischen Hinweis auf eine Pneumonie oder eine schwere (Begleit-) Erkrankung mit der Einleitung einer ärztlichen Diagnostik zunächst abzuwarten. Bis dahin kann mit Mitteln der Selbstmedikation behandelt werden.
Da sich diese Leitlinie jedoch zurzeit in Überarbeitung befindet, lohnt sich ein Blick zu den aktuellen Empfehlungen der ABDA. Dort wird der Verweis an einen Arzt nach drei Wochen unveränderten Hustens empfohlen oder wenn zusätzlich noch Fieber und Schmerzen auftreten. Sie unterscheidet noch nach trockenem und verschleimtem Husten, was die DGP als überholt ansieht.
Für die Therapie des trockenen Hustens werden hier folgende Wirkstoffe und Phytotherapeutika empfohlen:
Für die Therapie des verschleimten Hustens gelten folgende ABDA- Empfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) empfiehlt in ihrer S2k-Leitlinie bei akuter unkomplizierter Otitis media für Erwachsene zunächst die symptomatische Behandlung mit Analgetika. Kleinkinder sollten die Diagnose immer von einem Arzt gestellt bekommen.
Die Therapie beginnt mit Paracetamol bis max. 60 mg/kg Körpergewicht, aufgeteilt in drei bis vier Einzeldosen, oder Ibuprofen bis max. 20–30mg/kg Körpergewicht, verteilt auf 3–4 Gaben am Tag. Eine Antibiotikagabe ist erst ab dem zweiten Tag der Beschwerden sinnvoll.
Außerdem wird körperliche Schonung und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr empfohlen.
Nicht empfohlen ist die Gabe lokaler Anästhetika in Form von schmerzstillenden Ohrentropfen. Diese hat keine ausreichende Evidenz und erschwert zusätzlich eine Beurteilung des Trommelfells durch den HNO, falls eine Untersuchung nötig wird.
Die Anwendung abschwellender Nasentropfen zeigte keinen Einfluss auf die Krankheit selbst, kann aber besonders bei Kindern positive Effekte haben. Die Flüssigkeitsaufnahme ist effektiver, sie schlafen besser und die Schmerzen können sich verringern, falls durch die Schwellung ein Druck auf das Mittelohr ausgeübt wird.
Die Studie nennt den immunmodulatorischen Effekt von milchsäurebildenden Bakterien als interessanten Ansatz zur Prävention bei Kindern. „In einer finnischen doppelblinden randomisierten Studie erhielten insgesamt 571 Kindergartenkinder sieben Monate lang teils mit Lactobacillus GG angereicherte, teils einfache pasteurisierte Milch zu allen Mahlzeiten. Die Kinder der Verum-Gruppe erkrankten signifikant seltener an Otitis media sowie insgesamt an Luftweginfekten und brauchten weniger Antibiotika“, heißt es dort.
Für die Beratung einer akuten Rhinosinusitis (ARS) wird man in der S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) und der DEGAM fündig. Sie „wird diagnostiziert, wenn typische Beschwerden bzw. Symptome (Nasenatmungsbehinderung, anteriore und/oder posteriore Sekretion, Gesichtsschmerz, Riechstörung) bzw. fakultative Beschwerden bzw. Symptome (Fieber, Kopfschmerz) vorliegen“, die nicht länger als 12 Wochen andauern.
Empfohlen wurde hier für die Selbstmedikation im Bereich Phytopharmaka, und als Komedikation zu Antibiotika, ein patentierter Extrakt aus Ampfer, gelbem Enzian, Holunder, Eisenkraut, Schlüsselblume (Sinupret extract®). Er verkürzte die Krankheitsdauer signifikant gegenüber Placebo und linderte ebenso die Symptome. Auch die Eukalyptusextrakte Cineol und Myrtol zeigten, neben dem Antibiotikum eingesetzt, eine Symptomlinderung und Heilungsbeschleunigung und werden daher in der Leitlinie genannt.
Des Weiteren ist der Einsatz von Dekongestiva (Sympathomimetika oder Parasympatholytika; in der nasalen Anwendung nur ohne Benzalkoniumchlorid und nicht länger als 7–10 Tage) und Analgetika (Ibuprofen vor ASS und Paracetamol) zur Linderung der Symptome angebracht.
Als ineffektiv wurde ein Nasenspray mit Alpenveilchen-Extrakt beschrieben, zu Sonnenhut-Extrakt gibt es keine relevanten Studien im Zusammenhang mit ARS. Zu einem Extrakt aus Pelargonium sidoides (Umckaloabo®) fand eine Cochrane-Review nur eine einzige verwertbare Studie, in der der Extrakt als möglicherweise effektiv in der Symptomerleichterung bei akuter Sinusitis und grippalem Infekt bei Erwachsenen bezeichnet wird. Für eine Empfehlung in der Leitlinie ist dies keine ausreichende Evidenzlage.
Ebenfalls keine ausreichende Evidenz bei der Behandlung von ARS wird den Sekretolytika Acetylcystein und Ambroxol bescheinigt. Für den Einsatz von Vitamin C und Zink liegen ebenfalls keine Studien vor, die zu einer Empfehlung führen würden.
Als nichtmedikamentöse Maßnahmen werden lokale Anwendungen mit physiologischer Kochsalz-Lösung (z.B. als Nasentropfen oder -spray) und die Inhalation heißer Dämpfe (38-42°Celsius) empfohlen. Interessant ist vor allem die Tatsache, dass „entgegen dem subjektiven Eindruck (…) der Zusatz ätherischer Öle bei der Inhalation keine nachgewiesenen klinischen Effekte“ hat.
Die ABDA-Leitlinie geht hier weitestgehend konform, bis auf alternative Maßnahmen, die Homöopathika beinhalten. Diese können in der Leitlinie der DGHNO-KHC und der DEGAM „aufgrund der eingeschränkten Datenlage nicht abschließend beurteilt“ und damit nicht empfohlen werden.
Auch die DEGAM-Leitlinie zum Thema Halsschmerzen befindet sich zurzeit in Bearbeitung. Empfohlen wird zur Linderung der Schmerzen Ibuprofen vor ASS und Paracetamol.
Nicht empfohlen wird die Anwendung von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika oder Antibiotika.
Wörtlich heißt es dazu im Text: „Die teilweise in vitro und vivo nachgewiesene bakterizide/bakterio-statische Wirkung dieser Substanzen ist auch angesichts der mehrheitlich viral bedingten Racheninfektionen ohne klinische Relevanz. Es gibt keinen Nutzennachweis durch randomisierte kontrollierte Studien. Es liegen nur Beobachtungsstudien vor (…). Lokale und systemische allergische, zum Teil lebensgefährliche Reaktionen sind beschrieben (…). Bei den Lokalanästhetika ist insbesondere bei Kindern eine Methämoglobinämie möglich.“
Eine Cochrane-Review kommt für Echinaceaextrakt (als Monotherapeutikum und in Kombination mit Thuja) zu dem Ergebnis, dass eine „Wirksamkeit weder zur Prävention, noch zur Therapie von Erkältungskrankheiten sicher belegt ist.“
Mit Einschränkungen empfohlen werden bei „ausgeprägtem Therapiewunsch“ zur Symptomlinderung folgende Phytopharmaka und nichtmedikamentöse Maßnahmen:
Dies deckt sich mit den Maßnahmen, die von der ABDA empfohlen werden.
Bildquelle: Matthew Henry, unsplash