Ein einziger Blutstropfen aus der Fingerbeere der Mutter verrät das Geschlecht des Fötus – und das schon im ersten Trimester der Schwangerschaft. Dies berichtet ein Diagnostik-Unternehmen aus Brasilien. Schon jetzt kritisieren Experten den Test.
Gynäkologen können meistens Auskunft über das Geschlecht des Fötus geben, wenn das große Organ-Screening ansteht. Dieses findet in der Regel in der 20. Schwangerschaftswoche mittels Ultraschalluntersuchung statt. Alle werdenden Mütter, die schon vorher Bescheid wissen wollen, können auf eigene Faust Untersuchungen mit Backpulver, Öl oder Rotkohlwasser anstellen, detaillierte Anleitungen findet man in diversen Frauenmagazinen oder Mütter-Foren. Alternativ dazu gibt es in naher Zukunft vielleicht ein weiteres Verfahren, das auf wissenschaftlichen Ergebnissen beruht: einen simplen Blutschnelltest.
Die Ultraschalluntersuchung, die unter anderem Aufschluss über das Geschlecht des Babys gibt, findet in der Regel in der 20. Schwangerschaftswoche statt. Seit 2012 gibt es in Deutschland auch die Möglichkeit, einen nichtinvasiven Pränataltest (NIPT) durchzuführen und zwar dann, wenn das vorangehende First-Trimester-Screening (FTS) auffällig war. Diese Untersuchung wird Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels vorgenommen. Dabei geht es allerdings nicht um das Stillen der Neugier, ob es sich beim Kind um ein Mädchen oder einen Jungen hält. Untersucht werden beim FTS die Hormone ß-HCG und der Eiweißkörper PAPP-A. Anhand dieser Ergebnisse stellt der Arzt fest, ob eine fetale Chromosomenaberration – insbesondere der Trisomie 21 und der Trisomie 18 – besteht. Beim NIPT werden Fragmente der DNA des Kindes, die in das Blut der Mutter gelangt sind, analysiert. Dadurch erhält man eindeutigere Ergebnisse. Außerdem ließe sich auf diese Weise auch feststellen, ob der Fötus männlich oder weiblich ist.
Das Forscherteam eines brasilianischen Diagnostik-Unternehmens konnte nun beweisen, dass sich für die Bestimmung des Geschlechts ab Schwangerschaftswoche 8 ein Blutschnelltest eignet. In einer Studie mit 100 schwangeren Frauen konnten Gustavo Barra und seine Kollegen zeigen, dass ein einziger Tropfen Blut aus der Fingerbeere einer Schwangeren ausreicht, um ein 100 prozentig verlässliches Ergebnis zu erhalten, berichtete das Wissenschaftsmagazin Newscientist. Die Probe wird hinsichtlich der enthaltenen Chromosomen untersucht: Findet man im entnommenen Blut der Mutter Y-Chromosome, muss es vom männlichen Fötus stammen. Sind keine Y-Chromosome im Blut vorhanden, ist das Kind weiblich. Und dieses Wissen ist nicht nur für neugierige Eltern wertvoll, es könnte auch von großer Bedeutung in Hinsicht auf Erbkrankheiten sein. Zwei Beispiele sind Hämophilie und Muskeldystrophie Typ Duchenne. Diese beiden Erkrankungen sind X-chromosomal-rezessiv: Ist die Mutter Überträgerin des geschädigten Gens, erkranken 50 Prozent ihrer Söhne und 50 Prozent der Töchter sind ebenfalls Überträgerinnen des defekten Gens. Die Gesundheit männlicher Nachkommen ist in diesem Fall besonders gefährdet.
Diese Frage ist vor allem unter ethischen Gesichtspunkten berechtigt. Die Antwort lautet: Jein. Wenn es tatsächlich nur darum geht, als Eltern früher zu erfahren, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird, dann ist die Notwendigkeit eines solchen Tests in Frage zu stellen. Etwas mehr Geduld tut es dann wohl auch. „Meistens gibt es keinen medizinischen Grund, das Geschlecht des Fötus im Mutterleib zu bestimmen. Dies tut man hauptsächlich aus elterlichem Interesse“, sagt Andrew McLennan im Gespräch mit Newscientist. Er ist Gynäkologe am Royal North Shore Hospital in Sydney und steht dem Schnelltest kritisch gegenüber. Ein frühzeitiger Pränataltest kann schließlich auch dazu missbraucht werden, das Geschlecht des Kindes zu steuern, indem die werdende Mutter einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lässt, sollte der Fötus nicht das gewünschte Geschlecht haben. Diese Befürchtung ist laut Experten hierzulande weniger begründet als in anderen Ländern, wie die Dailymail berichtet: In Indien und China bevorzugen die meisten Eltern einen Sohn. Laut Bericht der indischen Regierung des letzten Jahres hat Geschlechtsselektion dazu geführt, dass in Indien 63 Millionen Frauen „fehlen“. Der Vorteil des Blutschnelltests gegenüber des NIPT-Verfahrens: Er ist schneller und angenehmer, vor allem für Frauen, die Angst vor Nadeln haben. Aktuell versucht das Diagnostik-Team herauszufinden, ob man mit dem Test so wie beim NIPT auch eine fetale Chromosomenaberration erkennen kann, erzählt Barra. In diesem Fall wäre der Schnelltest tatsächlich für Gynäkologen eine interessante Ergänzung im Bereich der Pränataldiagnostik.