Studien zur Hämostase durch Faktor IX (FIX) deuten darauf hin, dass dieFaktoraktivität im Plasma nicht allein verantwortlich für einen gutenBlutungsschutz ist.1 Lesen Sie hier, warum auch die Gewebeverteilung von FIX relevant ist.
Faktor-Plasmaspiegel: einziges Wirksamkeitskriterium?In der Behandlung von Hämophilie A ist es klinischer Standard, die Wirksamkeit von Faktorpräparaten anhand von Plasmaspiegeln bzw. Talspiegel des substituierten Faktors VIII(FVIII) zu bewerten.2
Anders verhält es sich bei Hämophilie B: Ergebnisse verschiedener Studien weisen darauf hin, dass der Plasmaspiegel von Faktor IX (FIX) als Surrogatparameter nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung von Wirksamkeit bzw. Blutungsschutz ist.3 „Um die Wirksamkeit eines Faktor-IX-Präparates zu bestimmen, reicht es nicht, alleine die Plasmaspiegel zu messen“, sagt beispielsweise Dr. Carmen Escuriola vom Hämophilie Zentrum Rhein Main.
Aber was ist die Grundlage für diese Annahme?
FIX bildet auch einen extravasalen PoolIm Gegensatz zur Hämophilie A und der Substitution mit FVIII ist die Pharmakokinetik von FIX zur Therapie der Hämophile B komplexer. So wird der Plasmaspiegel von Einflüssen wie z. B. der Größe des Faktormoleküls bestimmt: Der bei Hämophilie B zu substituierende FIX ist kleiner als FVIII und zeigt somit eine höhere Gefäßpermeabilität.4
Zudem zeigt FIX im Gegensatz zu FVIII eine hohe Bindungsaffinität für extravasales Kollagen.4 Dadurch verteilt sich FIX nicht nur im Plasma, sondern auch per reversibler Kollagenbindung im Gewebe (z. B. Endothel, Gelenkinnenhaut oder Meniskus) und bildet dort einen extravasalen „FIX-Pool“ (siehe Abbildung 1).4-6 Das größere FVIII-Molekül dagegen zirkuliert durch seine Bindung an den von-Willebrand-Faktor nahezu vollständig im Plasma.7
Abbildung 1: FIX reichert sich nicht nur im Plasma an, sondern durch die Bindungan Kollagen IV auch im Gewebe. Modifiziert nach Nazeef, M. et al.4
Wie Studien am Tiermodell zeigen, ist die FIX-Konzentration im Gewebereservoir sogar deutlich höher als im Plasma.1,8 Daher besitzt FIX insgesamt ein deutlich größeres Verteilungsvolumen im Körper als FVIII.9Beim Menschen sind die extravasalen FIX Reservoire allerdings nur schwer zugänglich, was die Bestimmung des Spiegels im klinischen Alltag erschwert.8
Quellen:1. Feng D, et al. Evidence of clinically significant extravascular stores of factor IX. J Thromb Haemost. 2013;11, 2176–2178.2. Skinner MW, et al. WFH: closing the global gap—achieving optimal care.Haemophilia. 2012;18 Suppl 4:1-12.3. Stafford D. Extravascular FIX and coagulation. Thrombosis J. 2016;14, 35.4. Nazeef M. & Sheehan J. New developments in the management of moderatetosevere hemophilia B. Journal of Blood Medicine- 2016;7, 27–38.5. Pollock L, et al. Type IV collagen and laminin in the synovial intimal layer: An immunohistochemical study. Rheumatol Int. 1990;9, 277–280.6. Melrose J, et al. Comparative spatial and temporal localisation of perlecan, aggrecan and type I, II and IV collagen in the ovine meniscus: an ageing study. Histochem Cell Biol. 2005;124, 225–235.7. Lenting P, et al. Clearance mechanisms of von Willebrand factor and factor VIII. J Thromb Haemost. 2007;5, 1353–1360.8. Iorio A, et al. Tailoring treatment of haemophilia B: accounting for thedistribution and clearance of standard and extended halflife FIX concentrates. Thromb Haemost. 2017;117: 1023–10309. Berntorp E & Björkman S. The pharmacokinetics of clotting factor therapy. Haemophilia. 2003;9, 353–359.
Bildquelle: https://www.pexels.com/photo/an-opened-old-book-161366/