Eine aktuelle Studie legt nah, dass Pflegeheimbewohner zu häufig in Krankenhäuser eingeliefert werden. Woran liegt das?
Pflegeheimbewohner werden häufig in Notaufnahmen und Krankenhäusern behandelt. „Zu häufig“, sagt Dr. Guido Schmiemann. Der Mediziner und Versorgungsforscher ist an der Studie HOMERN beteiligt. Die Abkürzung steht für „Hospitalisierung und Notaufnahmebesuche von Pflegeheimbewohnern“.
Mit der Studie soll herausgefunden werden, wie häufig und warum Pflegeheimbewohner in Krankenhäuser eingeliefert werden. Außerdem sollen Versorgungsdefizite aufgedeckt und Verbesserungsmaßnahmen vorgeschlagen werden.
Nach drei Jahren Forschung liegen nun erste Zahlen und Informationen vor. In Deutschland leben etwa 800.000 Menschen in Pflegeheimen, mit steigender Tendenz. Sie haben oft chronische Erkrankungen, nehmen mehrere unterschiedliche Medikamente ein und haben körperliche oder kognitive Einschränkungen. Sie werden deshalb häufig im Krankenhaus behandelt. „In Deutschland wesentlich häufiger als im internationalen Vergleich“, mahnt Schmiemann. Denn Krankenhausaufenthalte können unerwünschte Folgen für die Betroffenen haben, darunter Infektionsgefahr oder steigende Verwirrtheit.
Um herauszufinden, wer wann welche Entscheidungen für eine Einweisung trifft und welcher Mechanismus dahintersteckt, bezogen Schmiemann und sein Team 14 Pflegeheime in Bremen und Umgebung in die Studie ein. Zwölf Monate lang untersuchten er und sein Team die Heime und erfassten das Geschehen in Fragebögen.
Berücksichtigt wurden unter anderem folgende Aspekte: Warum ist der Betroffene ins Krankenhaus gebracht worden? Was war die Diagnose und wer hat sie gestellt? Wer hat die Entscheidung zur Einlieferung getroffen? Wie lange war die Verweildauer im Krankenhaus? Hat der Patient davon profitiert?
Insgesamt 802 Bewohner wurden erfasst. Die Hälfte von ihnen war dement, ein Viertel über 90 Jahre alt. 627 Krankenhausaufenthalte ergibt die Statistik. „Wobei,“, so Schmiemann, „das nicht Personen sind, sondern die tatsächliche Zahl der Notaufnahmen und Krankenhausaufenthalte“. Darunter fielen also auch Pflegeheimbewohner, die im Verlauf eines Jahres mehrfach in ein Krankenhaus transportiert werden mussten. „Im statistischen Mittel gesehen sind es 0,78 Ereignisse dieser Art pro Bewohnerin oder Bewohner im Jahr“, so der Versorgungsforscher.
Als weitere Ergebnisse zeigten sich: Ein höheres Risiko für ungeplante Krankenhaustransporte haben Männer sowie Bewohner mit einem höheren Pflegegrad. Darüber hinaus beeinflussen Ängste vor rechtlichen Konsequenzen die Entscheidung zum Krankenhaustransfer. „Häufig haben Pflegekräfte ohne Einbeziehung von Ärzten die Entscheidung getroffen“, so Schmiemann. Die häufigsten Gründe für den Anruf beim Rettungsdienst seien Stürze, Unfälle, Verschlechterungen des Allgemeinzustands und neurologische Auffälligkeiten.
Schmiemann erkennt ein strukturelles Grundproblem: „Der Pflegedienst ruft die 112. Der Disponent, der den Anruf entgegennimmt, haftet persönlich für seine Entscheidung, also wird er im Zweifel eher einen Rettungswagen alarmieren. Der wird für Leerfahrten in den meisten Regionen nicht bezahlt, also nimmt er im Zweifel den oder die Bewohner des Pflegeheims mit. Das ist ein Automatismus. Wir müssen Wege finden, wie wir da herauskommen.“
Das zweite Grundproblem seien Mängel in der Kommunikation. Heim und Ärzte arbeiteten oft nicht strukturiert zusammen. In der Hälfte der Fälle wurde die Arztpraxis gar nicht informiert, wenn ein Patient Symptome aufweist.
„Es wäre hilfreich, wenn Praxis und Heim dieselben Informationen hätten. Die gleiche Akte, den gleichen Medikamentenplan“, sagt der Versorgungsforscher.
Ihre Forschungsergebnisse hat die HOMERN-Gruppe kürzlich auf einem Symposium in Bremen veröffentlicht. Die 70 Teilnehmer waren vom Fach: Hausärzte, Pflegepersonal und Mitarbeiter von Rettungsdiensten haben die Realität der wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt.
Der Titel des Symposiums war ebenso eindeutig – „Krankenhausaufenthalte von Pflegebewohnern: Nur weil keiner die Verantwortung übernehmen wollte?“
Schmiemanns Resümee: „Eine Stärkung der Pflegenden, eine Verbesserung struktureller Rahmenbedingungen und eine verstärkte Kommunikation und Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren könnte die Zahl vermeidbarer Krankenhaustransporte aus Pflegeheimen verringern.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Bremen.
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