Lachgas wird als kurzwirksames Narkotikum unter anderem zur Narkoseeinleitung benutzt. Doch nicht nur – seit Kurzem wird es als Partydroge immer beliebter. Vor allem eine Nebenwirkung bereitet Medizinern Kopfschmerzen.
Sehr junge Konsumenten scheuen sich vor der Anwendung „echter“ invasiver Drogen. Deshalb erfreut sich Lachgas vor allem in der Gruppe der 20–24-Jährigen großer Beliebtheit. In der Altersgruppe von 13 bis 16 Jahren sei es jeder zehnte, so der aktuelle Sucht-Bericht aus den Niederlanden. Aber was soll an dem Gas schon so gefährlich sein, mögen einige denken – die Substanz ist doch leicht zugänglich und schließlich legal. Dass sie trotzdem schädlich ist, wissen die wenigsten.
Lachgas ist seit 2016 legal erhältlich und fällt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr unter das Arzneimittelgesetz. In den Niederlanden hat der Konsum von Lachgas drastisch zugenommen, auch die Probleme werden immer deutlicher. Die Spuren des Konsums kann jeder täglich sehen: Auf Parkplätzen, in Grünanlagen oder Straßen liegen Dutzende leere Metallkapseln oder Ballons. Experten warnen vor großen Risiken.
Ein Lachgasentkapsler
Die Zahl der Vergiftungen durch Lachgas ist sprunghaft angestiegen, meldet das Nationale Informationszentrum für Vergiftungen in Utrecht. 2015 wurden 13 Fälle gemeldet, im ersten Halbjahr 2019 waren es bereits 67.
Nach dem niederländischen Sucht-Bericht hat jeder fünfte Jugendliche zwischen 20 und 24 Jahren schon Lachgas inhaliert. Auch in der Gruppe Menschen bis zu 35 Jahren wird es zunehmend zu einer beliebten und preiswerten Party-Droge.
Im deutschen Drogen- und Suchtbericht spielt Lachgas noch eine untergeordnete Rolle. Doch das ändert sich langsam. In der Partyszene komme es punktuell vor, berichtet das Büro der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Eine Studie von Drogenforschern der Universität Frankfurt machte 2018 deutlich, dass sich die Zahl jugendlicher Lachgas-Konsumenten in drei Jahren verdoppelt habe. Demnach hatten 12 Prozent der Jugendlichen schon mal Lachgas ausprobiert, schreibt die FAZ.
Die Rauschwirkung ist bereits lange bekannt. 1776 war das Geburtsjahr von Lachgas. Schon kurz nach seiner Entdeckung war Lachgas besonders bei Ärzten als Rauschmittel beliebt. Im 16. und 17. Jahrhundert war es unter englischen Aristokraten und Gelehrten verbreitet, Lachgas zu schnüffeln. Im 19. Jahrhundert erfreute es sich als Narkotikum großer Beliebtheit und 1844 wurde es erstmals im zahnärztlichen Bereich angewendet. Auch Politiker Winston Churchill soll ein Fan gewesen sein. Abgesehen davon wurde von Jugendlichen auch schon in den 1960er und 70er Jahren unseres Jahrhunderts mit dem Gas als Rauschmittel experimentiert.
Das Gas ist farblos, schwerer als Luft und hat einen leicht süßlichen Geschmack. Das in Clubs angebotene Lachgas ist in den meisten Fällen ursprünglich für den technischen Bereich vorgesehen und deshalb verunreinigt. Besonders das enthaltene Methylnitrat erhöht die Toxizität. Vor der Inhalation atmen die Konsumenten vollständig aus und inhalieren dann die Füllung eines Ballons durch den Mund. Die Nase wird dabei verschlossen und der Atem anschließend einige Zeit angehalten. Erfahrene Konsumenten schnüffeln den Inhalt einer ganzen Kapsel.
In der Szene werden sogenannte „Kapsler“ verkauft, mit denen man das Gas umfüllen kann. Die Teile für diese Reduktionsventile gibt es in Baumärkten, die Bauanleitung im Internet. Suchtexperten sind zunehmend in Sorge und warnen vor großen Risiken.
Dem Lachgas selbst kommt keine akute toxische Wirkung zu. Intoxikationen entstehen durch Verdrängung des Sauerstoffes mit nachfolgender Anoxie.
Das Gas besitzt eine direkte negativ inotrope Wirkung und stimuliert das Sympathikuszentrum im ZNS. Die kardiovaskulären Wirkungen sind beim Herzgesunden nur sehr gering ausgeprägt.
Mediziner hatten bisher mit dem missbräuchlichen Konsum von Lachgas wenig zu tun. Dass sie dabei auch an Vitamin-B12-Mangel denken müssen, haben viele nicht auf dem Schirm, denn: Lachgas oxidiert Vitamin B12 irreversibel und inaktiviert es dadurch. Vitamin B12 ist nötig für die DNA-Synthese und die Erhaltung der Myelinhülle. Lachgas verändert Vitamin B12 so, dass es seine Aufgaben bei der DNA-Synthese nicht mehr erfüllen kann.
Entwickelt sich durch zu häufigen und zu ausgiebigen Lachgaskonsum ein B12-Mangel und wird dieser nicht rechtzeitig erkannt, kann er zu Myeloneuropathie, irreversiblem Rückenmarkschwund und – unbehandelt – zum Tode führen. Wird die Myelinhülle geschädigt, kommt es anfänglich zu Bewegungsstörungen. Diese können sich bis zur völligen Lähmung verschlimmern.
Weihrauch et al. berichten über eine Myelose durch den Missbrauch von Lachgas. Beim chronischen Missbrauch können Hirn- und Nervenschäden sowie Leber- und Nierenfunktionsstörungen auftreten.
Die meisten Anwender haben nach dem Rausch Schwierigkeiten, den erlebten Zustand zu beschreiben. Der Rausch tritt nach Inhalation fast sofort ein, hält zwischen 30 Sekunden und 2 Minuten an. Da das Raum-Zeit-Gefühl verändert wird, haben die Konsumenten häufig das Gefühl, dass der Rausch Minuten bis Stunden gedauert hat.
Geräusche werden intensiver wahrgenommen. Sie verschwinden unter einem Nebel, aus dem ab und zu Fetzen von Sprache oder Musik aufsteigen. Besonders tiefe Frequenzen werden verstärkt wahrgenommen. Diese Bässe werden als Vibrationen empfunden.
Der Rausch kann auch von einem permanenten aktiven Dröhnen, Brummen oder Summen in den Ohren begleitet werden, dessen Ursache eine Druckerhöhung im Ohr ist. Das Mittelohr wird mit der Nasenhöhle durch die Eustachische Röhre verbunden und durch diese belüftet. Wenn eine große Lachgasmenge inhaliert wird, dringt das Gas schneller in das Mittelohr, als Stickstoff herausströmt. Der Druck im Mittelohr steigt an und das Trommelfell wölbt sich vor.
Einige Konsumenten berichten von Mustern und Farben während des Rauschs, die mit den Farbwirkungen von LSD vergleichbar sind. Diese optischen Halluzinationen sind sowohl mit offenen wie auch mit geschlossenen Augen zu beobachten. Bei geöffneten Augen ist die Wahrnehmung der Umgebung heller, aber etwas körnig, verschleiert. Personen und Gegenstände werden kaum noch wahrgenommen, beziehungsweise erscheinen vollkommen egal.
Ein anderes Szenario erschließt sich bei geschlossenen Augen. Hier berichten Konsumenten von viel „krasseren Filmen“: Von bunten Formen, die aus dem Nichts urplötzlich erscheinen, über farbige Schleier, die an einem vorüberziehen, bis zu Mustern und Tunneleffekten.
In Verbindung mit dem vollkommenen Glücksgefühl, das in der Regel bei jedem Lachgas-Trip vorhanden ist, berichtet ein Konsument sogar von einem weißen, hellen Licht, das sich weit entfernt befindet, vergleichbar mit dem hellen Ende eines Tunnels.
Es kommt zu einem euphorischen Gefühl von Freude und Glück. Der Konsument empfindet ein Schweben durch Raum und Zeit. Einige berichteten von einem sanften, angenehmen Prickeln und Kribbeln am ganzen Körper und von einem Wärmegefühl. Nach Abklingen des Rausches kann es zu depressiven Verstimmungen kommen, die bis zu einer Stunde anhalten.
Einige Minuten nach der eigentlichen Inhalation tritt ein Gefühl der Benommenheit und der Erschöpfung ein. Der zusätzlich vorhandene starke, aber nicht als unangenehm empfundene Schwindel lässt den Konsumenten für einige Zeit in einen leichten Schlaf fallen. Einige Personen berichteten von leichten Taubheitsgefühlen in Armen und/oder Beinen, dass allerdings von anderen Konsumenten nicht wahrgenommen wurde.
Die Gesundheitsämter in den Niederlanden bezeichnen den Anstieg der Lachgas-Meldungen als besorgniserrgend. Wie eingangs erwähnt, ist die Zahl gerade der jungen Konsumenten laut niederländischem Sucht-Bericht erschreckend.
Deshalb schlagen immer mehr Städte Alarm: Amsterdam und Utrecht haben ein Verkaufsverbot der entsprechenden Gaskartuschen gefordert. Das niederländische Gesundheitsministerium werde dies prüfen, hieß es bisher nur.
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