Als Kinderarzt stoße ich manchmal an meine Grenzen. Und zwar dann, wenn es um die Medikation bestimmter Krankheiten geht.
Die meisten Medikamente, die wir tagtäglich in unserer Praxis nutzen, sind etabliert, gut untersucht und in zahlreichen Studien auch an Kindern überprüft und als sicher eingestuft worden. Das gilt für Neben- und Wechselwirkungen sowie das Dosierungsregime.
Dennoch ist die Entwicklung von Kindermedikamenten weiterhin ein Stiefkind der pharmazeutischen Forschung. Nachdem Medikamente das Laborstadium hinter sich gelassen haben – inklusive Computersimulationen, in-vitro-Testreihen und, ja, immer noch, Tierversuchen – und in Pilotstudien bei Erwachsenen eingesetzt wurden, braucht es weitere klinische Forschung. Für pädiatrische Medikamente braucht man dann auch pädiatrische Patienten.
Eltern lassen ihre Kinder aber oft nur ungern für Medikamentenstudien rekrutieren. Manchmal gelingt das bei neuen Impfstoffen, die zum Glück von der Mehrzahl der Eltern als dankbare Innovation verstanden werden. Bei anderen, selteneren Medikamenten ist das aber schwerer vermittelbar.
In unserer täglichen Praxis haben wir keine Probleme mit gängigen Medikamenten. Als Pädiater wissen wir, dass Kinder eben keine kleinen Erwachsenen sind. Es gibt Tabellen, die uns die genaue Dosierung beispielsweise von Antibiotika vermitteln, in aller Regel errechnet aus dem Körpergewicht. Noch genauer ist die Berechnung aus der Körperoberfläche. Das wird zum Beispiel bei sehr kleinen Kindern gemacht.
Betreuen wir jedoch Kinder mit seltenen Erkrankungen, von denen es höchstens eine Handvoll Patienten gibt, brauchen wir Orphan Drugs. Das sind selten eingesetzte Medikamente, die unter Umständen bisher nur bei Erwachsenen verordnet wurden oder für andere Krankheitsindikationen zugelassen sind. So ist es inzwischen etabliert, einen bestimmten Betablocker zur Behandlung von Blutschwämmen der Haut einzusetzen. Da war vor Jahren eine Zufallsentdeckung, weil bei Frühgeborenen mit Herzfehlern, die diese Heilmittel einnehmen mussten, Hämangiome schneller zurückgingen, als bei Kindern ohne Behandlung.
Ein europäisches Konsortium möchte sich nun der Erforschung von Medikamenten bei Kindern annehmen. Conect4Children (c4c) vereint 33 Universitäten und mehrere Pharmaunternehmen aus zwanzig europäischen Ländern, um die Forschung zentral zu koordinieren. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, Kinder mit seltenen Erkrankungen europaweit zu rekrutieren, um sie in Tests einzubinden. Eltern von Kindern mit seltenen Erkrankungen haben ein großes Interesse daran.
So sind auch über 50 Drittorganisationen, meist Initiativen und Referenzlabors der seltenen Erkrankungen, im Konsortium involviert. Erste Studien ohne Beteiligung der Industrie wurden nun europaweit gestartet. Darunter eine Untersuchung zum Einsatz von Steroiden beim Kawasaki-Syndrom, eine Untersuchung bei Mukoviszidose, eine bei Osteogenesis imperfecta, und eine zur Wirkung von Paracetamol bei Frühgeborenen mit persistierendem Ductus arteriosus.
Moderne Medizin mit moderner Netzwerkarbeit: Bessere Medizin für Säuglinge, Kleinkinder und junge Menschen durch ein paneuropäisches Studiennetzwerk. Wir werden davon noch hören.
Bildquelle: Yoel Kamara, Unsplash