In frühen Stadien des Morbus Hodgkin ist die Radiochemotherapie Standard. Auch bei Endometrium-, Prostata- und Ösophaguskarzinom wird die Behandlung angewandt. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse.
Jede Krebstherapie muss in ihrer Intensität sorgsam abgewogen werden, um weder den Erfolg durch Langzeittoxizitäten zu belasten, noch klinische Effektivitätseinbußen zu riskieren. Das gilt auch für die Behandlung des Hodgkin-Lymphoms. Auf dem ASTRO-Kongress für Radioonkologie wurden aktuelle Studienergebnisse vorgestellt.
Zur Primärtherapie früher Stadien des Hodgkin-Lymphoms ist eine Radiochemotherapie heute Standard (Combined Modality Treatment, CMT). Die multizentrische Phase-III-Studie HD16 (16. Studie) der German Hodgkin Study Group (GHSG) untersuchte in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz eine Individualisierung des Vorgehens.
Über 1.000 Patienten (18–75 Jahre) wurden dazu in einen Standard- und einen experimentellen Arm randomisiert. Alle erhielten zunächst zwei ABVD-Chemotherapie-Zyklen (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin), gefolgt von einer Kontrolle des Therapieansprechens mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET). In der Standard-Gruppe erhielten dann alle (nach ABVD) die übliche Bestrahlung (20 Gy); in der experimentellen Gruppe wurden dagegen nur PET-positive Patienten bestrahlt.
Bei Patienten mit positivem PET betrug das progressionsfreie Überleben auf 5 Jahre nach CMT 88,1 % (wenn ein anderer, gebräuchlicherer Positivitäts-Cut-off-Wert verwendet wurde nur 80,1 %). Bei Patienten mit negativer PET betrug das progressionsfreie Überleben auf 5 Jahre nach Standard-CMT 93,4 % und 86,1 % mit alleiniger Chemotherapie. Dieser Unterschied resultierte vor allem aus einem Anstieg der Rückfälle in der früheren Tumorregion (lokale Rezidive).
Das Gesamtüberleben nach fünf Jahren war bei PET-negativen Patienten mit CMT und mit alleiniger Chemotherapie ähnlich (98,1 % und 98,4 %). In einer zwischenzeitlich erschienenen Vollpublikation der Studie empfiehlt die Studiengruppe daher explizit, dass die konsolidierende Strahlentherapie als Standardbehandlung bei Patienten, die nach 2 Zyklen ABVD ein Ansprechen im PCT zeigen, beibehalten wird.
„Die Versuche, Kerbstherapien nach dem aktuellem Wissenstand zu deeskalieren, sind nicht immer erfolgreich – auch das muss aber erst herausgefunden werden. Mit der HD16-Studie trägt die deutsche radiolonkologische Forschung weltweit dazu bei, dass künftig bei der Primärtherapie von Hodgkin-Patienten durch eine Bestrahlungs-Einsparung keine Rückschritte riskiert werden“, kommentiert Prof. Stephanie Combs, Pressesprecherin der DEGRO.
Während eine Bestrahlung bei vielen Malignomen maßgeblich zur lokalen Tumorkontrolle beiträgt, kann eine Fernmetastasierung oft besser durch eine Chemotherapie verhindert werden. Dies zeigte sich auch in einer aktuellen Studie bei Gebärmutterkrebs.
Das Endometriumkarzinom (EC) geht von der Schleimhaut des Gebärmutterkörpers aus. Ein Hochrisiko-EC (HREC) führt besonders oft zu Rückfällen. Die PORTEC-3-Studie untersuchte bei HREC-Patientinnen den Nutzen einer simultanen und adjuvanten Radiochemotherapie gegenüber der alleinigen Bestrahlung (RT) des Beckens. Sie erhielten 1:1 randomisiert entweder eine CT+RT (zwei Zyklen Cisplatin in den Bestrahlungswochen 1 und 4, gefolgt von vier Zyklen Carboplatin AUC5 und Paclitaxelin 3-wöchigen Intervallen) oder die alleinige RT (48,6 Gy in 1,8-Gy-Fraktionen).
Im Ergebnis konnten in jeder Gruppe 330 Patientinnen ausgewertet werden: Das Gesamtüberleben auf 5 Jahre lag bei 81,4 % (für CT+RT) und 76,1 % (für RT); das rezidivfreie Überleben betrug 76,5 % und 69,1 % (p = 0.016). Besonders profitierten Frauen mit dem hochmalignen, serösen Krebszelltyp. Hier verbesserte die Hinzunahme der Chemotherapie gegenüber der alleinigen Bestrahlung das 5-Jahres-Gesamtüberleben von 52,8 % auf 71,4 %. Sogar im Tumorstadium III verbesserte die Chemotherapie das 5-Jahres-Gesamtüberleben um 10 % (HR 0,63).
Insgesamt kam es nach CT+RT bei 21,4 % der Patientinnen zum Rückfall – gegenüber 29,1 % nach alleiniger RT. Die Rezidive traten meist als Fernmetastasen auf, lokale Rezidive im kleinen Becken waren dagegen sehr selten (1,2 %). Wie entscheidend das Verhindern von Rückfällen bei HREC ist, zeigte auch der Verlauf: Das Überleben nach Auftreten eines Rezidivs betrug nur noch 1,2 (CT+RT) bzw. 1,4 (RT) Jahre.
Die Evidenzlage spricht bei Patienten mit oligometastasierendem Prostatakarzinom (OMPC) für eine vollständige Ablation der Metastasen oder eine Bestrahlung der Metastasen. Dennoch bleibt das OMPC Gegenstand vieler Studien – gesucht werden beispielsweise Biomarker, um Patienten zu definieren, die am meisten von dem ablativen Vorgehen profitieren bzw. die, die eher nicht durch eine Maximaltherapie belastet werden sollten.
In der Phase-II-Studie ORIOLE wurde untersucht, ob eine stereotaktische ablative Radiotherapie (SABR) das Outcome verbessert und ob geeignete Biomarker dies vorhersagen können. Dazu wurden 54 Patienten mit rezidiviertem, hormonsensiblen OMPC 2:1 randomisiert und erhielten entweder eine SABR oder nicht (Observationsgruppe/OBS).
Die Bestrahlung ging maximal mit Nebenwirkungen von Grad 1-2 einher. Nach sechs Monaten hatten in der SABR-Gruppe 19 % der Patienten eine Tumorprogression und in der OBS-Gruppe 61 % (nach median 5,8 Monaten). In der SABR-Gruppe war bei Patienten mit PET-bestätigter, vollständiger Tumorfreiheit das fernmetastasenfreie Überleben fast 5-mal größer als bei nachgewiesenen Tumorresten (29 versus 6 Monate).
Die Bestrahlung induzierte eine systemische Immunantwort gegen Krebszellen und initiale molekulargenetisch-immunbiologische Untersuchungen im Patientenblut konnten das Ansprechen auf die Bestrahlung vorhersagen. Hierbei zeigt sich wieder deutlich, wie auch beim NSCLC, dass eine hochpräzise lokale Bestrahlung auch bei Vorliegen von Metastasen sinnvoll und effektiv ist.
In der Strahlentherapie wird zunehmend anstelle der konventionellen Photonenstrahlung die Protonentherapie eingesetzt, die aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften besonders zielgenau und schonender für das Gewebe in der Tumorumgebung und benachbarte Organe ist.
Eine randomisierte Phase-IIB-Studie untersuchte bei Patienten mit Ösophaguskarzinom im Rahmen einer Strahlenchemotherapie, in welchem Umfang sich die Vorteile einer Protonenbestrahlung (PBT) gegenüber einer IMRT hinsichtlich der klinischen Ergebnisse niederschlagen. Es wurden vom Beginn der Therapie über zwölf Monate insgesamt elf spezifische unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Ereignisse monitorisiert und ein Wert für die Gesamttoxizität berechnet (TTB = Total Toxicity Burden).
Von 145 Patienten (medianes Alter 66–68 Jahre) konnten 105 ausgewertert werden. Im Ergebnis war das progressionsfreie Überleben nach IMRT und PBT nicht unterschiedlich. Aber der TTB-Wert der IMRT war insgesamt 2,3-mal höher als bei PBT. Patienten, die nach der Radiochemotherapie noch operiert wurden, hatten in der IMRT-Gruppe 7-mal mehr postoperative Komplikationen.
Ob eine Protonentherapie im Einzelfall Vorteile hat, muss aber weiterhin in großen prospektiven Studien untersucht werden. Die IMRT bleibt der Standard, der hocheffektiv ist und auch exzellente Therapieergebnisse erzielen kann.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie
Bildquelle: congerdesign, pixabay