Die Ökologisierung der Medizin
Vor vielen Jahren habe ich als einer der ersten zum Thema Integrative Medizin publiziert. Bereits damals waren Umweltmedizin und Ökologie bedeutsame Themen. Jetzt ist es jedoch an der Zeit sich Gedanken über die Ökologisierung der Medizin in ihren Abläufen und in ihrem Krankheitsverständnis zu machen. Es gibt bereits interessante Ansätze (Antonovskys Salutogenese u.a.), aber ein neues Verständnis von ökologischen Lebensgrundlagen ohne das Primat des extensiven Wachstums und ein neues Herangehen an Gesunderhaltung und Gesundung mit einem maximal präventionistischem Ansatz ist nicht in Sicht. Ökologisierung wird meist gleichgesetzt mit adjuvant und alternativ, mit Luxus und Nebenschauplatz. Wir unterschätzen nach wie vor die Wirksamkeit mentaler und kultureller Techniken. Es fehlt an allgemeinem Wissen zu diesen Bereichen und es gibt keine Lobby, weil die Pharmaindustrie (die ich als wichtig und notwendig erachte!) über ökonomische Direktiven das Geschehen dominiert. Der neue Ansatz ist kostengünstig, egalitär und simplifizierend. Einfach ausgedrückt braucht nicht jede Schnupfnase eine pharmakologische Antwort und nicht jede Fraktur 10 Röntgenaufnahmen. Die juristische Kultur, die aus den vereinigten Staaten neues Heil im Sicherheitsdenken zu uns portiert hat, sorgt jedoch für ein Gehabe, das jeden Therapeuten und jede Therapeutin zu ausufernden Reaktionen zwingt. Wir befinden uns aktuell gleichsam in einer sich verselbständigenden Falle der Therapieverdichtung mit minimaler Effizienz. Die Ökologisierung der Medizin würde hier einen Riegel setzen und progressiv zu alternativen Verhaltensmustern und - Optionen führen. Indem wir das professionelle Gespräch aufwerten und neue kommunikative Techniken implementieren wäre ein erster Schritt getan. Indem psychophysiologische Abläufe als Therapiemedien eingebracht würden, wäre ein neues Verständnis von Krankheit und Gesundheit im Entstehen. Indem wir die klassischen Verpackungs- und Sterilisationsmethoden hinterfragten und die extensive Handhabung von Materialien im medizinischen Bereich (Hilfsmittel, Gebrauchsmaterialien) neu definierten, würden sich alternative Aktionsmuster ergeben, die kostengünstiger und humaner funktionierten. Der Raum an dieser Stelle ist für eine detaillierte Aufarbeitung zu knapp. Trotzdem soll ein fundamentaler Impuls für eine Ökologisierung der Medizin im Ganzen zu intensivem Nachdenken anregen - damit sollen auch institutionell-politische Fragen hinsichtlich der Legislative und seitens der Verwaltungsstrukturen angesprochen sein.