In einer aktuellen Kohortenstudie tritt das Adipositas-Paradoxon nur auf, wenn man BMI-Werte als Marker heranzieht. Das Verhältnis von Taille zur Größe liefert gegenläufige Aussagen. Das befeuert erneut die Debatte.
Seit Jahren geistert das Phänomen durch die wissenschaftliche Literatur. Die Rede ist vom Adipositas-Paradoxon. Damit ist das epidemiologische Phänomen gemeint, bei dem die Überlebenschancen von übergewichtigen Patienten bei manchen Erkrankungen höher sind als bei Normalgewichtigen.
Die Forscherin Chanchal Chandramouli, die am National Heart Centre in Singapore arbeitet, versuchte jetzt eine wichtige Wissenslücke zu schließen. Sie wollte wissen, ob das Adipositas-Paradoxon bei Menschen asiatischer Abstammung auftritt – bisherige Studien hatten nur Probanden aus Nordamerika und aus Europa untersucht.
Chandramouli ging es um die Frage, ob bei Asiaten ein höherer BMI mit einem besseren Outcome bei Herzinsuffizienzen assoziiert ist. Um das herauszufinden, rekrutierten sie und ihr Team Patienten asiatischer Herkunft mit symptomatischer Herzinsuffizienz.
Die 5.964 Teilnehmer hatten ein mittleres Alter von 61,3 Jahren, 26 % waren Frauen. Der BMI lag im Mittel bei 25,3. Bei 2.051 Probanden lagen auch Angaben zum Taille-Größe-Verhältnis (Waist-to-Height-Ratio, WtHR) vor. Je höher der resultierende Wert, desto höher ist das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden. Als kombinierte Endpunkte definierten die Forscher Hospitalisierungen und Todesfälle aufgrund der Herzerkrankung innerhalb eines Jahres.
Zu den Ergebnissen: Generell war ein höherer BMI mit einem geringeren Risiko für den kombinierten Endpunkt verbunden. Im Gegensatz dazu fand man Assoziationen höherer WHtR mit einem höheren Risiko für Hospitalisierungen/Todesfälle.
Was lässt sich aus den Ergebnissen machen? Das Adipositas-Paradoxon wird seit langem kontrovers diskutiert – man sieht Assoziationen, aber keine Kausalitäten. Und mittlerweile gibt es auch Studien, die vermeintlich positive Effekte widerlegen (u.a. Iliodromit S et al., Global BMI Mortality Collaboration).
Kritiker des Effekts führen an, dass Patienten mit dem niedrigsten BMI bereits am schwersten erkrankt seien. Auch bei Herzinsuffizienz oder Lungenerkrankungen kann es zur Kachexie kommen. Befürworter argumentieren unter anderem, (pro-) inflammatorische Zytokine würden vom Fettgewebe vielleicht inaktiviert, was die Progression von Erkrankungen verlangsame. Letztendlich ist die Studienlage im Moment noch zu schlecht, um eine fundierte Aussage zu treffen.
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