Ich habe mal gezählt, wie oft meine Patienten mich im dritten Quartal versetzt haben. Das dreistellige Ergebnis konnte ich fast nicht glauben.
Inspiriert von diesem Post auf Twitter …
… musste ich mich einmal selbst hinsetzen und nachsehen, wie viele Termine beispielhaft in diesem Quartal nicht wahrgenommen wurden.
Ein erschreckendes Bild: In den Monaten Juli bis September erschienen Patienten an 172 (in Worten: hundertzweiundsiebzig!) Terminen nicht. Davon waren 40 Vorsorgeuntersuchungen, die wir mit 20 bis 30 Minuten ansetzen, 96 Impftermine (werden mit 5 Minuten geplant) und 36 Akuttermine (werden mit 5-10 Minuten geblockt). Letztere Akuttermine sind solche, die die Eltern am gleichen Tag oder am Tag zuvor ausmachen. Scheinbar war es dann doch nicht so akut.
Verpasste Impftermine tun nicht besonders weh. Abgesehen davon, dass diese Impfung nicht gegeben wurde und wir nun wieder einen neuen Termin finden müssen – aber eine Lücke von 5 Minuten ist nicht so tragisch.
Ein besonderer Schlag sind jedoch die Vorsorgeuntersuchungen, die sich nicht doppelt belegen lassen oder bei denen wir parallel ein paar Akutpatienten planen können. Erscheint das Kind, braucht die Untersuchung natürlich die volle Aufmerksamkeit. Das erwarten die Eltern, und ich bin es dem Kind schuldig.
Rechnen wir weiter: Im letzten Quartal sind damit Termine von ca. 1750 Minuten verloren gegangen, also 29 Stunden. Das sind drei bis vier durchschnittliche Arbeitstage.
Bundesgesundheitsminister Spahn hat uns mit dem Terminservicegesetz einige neue Bürokratien und „Möglichkeiten“ eröffnet, damit Patienten schneller einen Arzttermin bekommen. So sollen Arztpraxen offene Sprechstunden betreiben (Kinder- und Jugendärzte sind zum Glück außen vor) und offene Termine für Vorsorge und Akutvorstellungen melden. Wie Kollegen bereits intern mitteilen, ist die sogenannte No-Show-Rate bei diesen KV-Terminen besonders hoch.
Sicher geht es anderen Praxen ähnlich, nicht nur den Versorgerpraxen, sondern gerade auch den Fachärzten, wie HNO- oder Augenärzten. Aus der Perspektive der Arztpraxis sind diese nicht wahrgenommenen Plätze ein sehr offensichtlicher Grund, warum Patienten oft lange auf einen Facharzttermin warten müssen. Aber es wird lieber der vermeintliche Kampf „Privat vs. Gesetzlich Versichert“ angestachelt. Das hat mehr Bild-Zeitungs-Niveau, lässt sich medial einfach besser ausschlachten.
Auswege und Ideen, dem No-Show entgegenzuwirken, gibt es viele: Termine durch die Patienten rückbestätigen lassen, einen Recall durch die Arztpraxis zulassen, mit Telefon, SMS oder E-Mail, Gebühren verlangen. All das mag gut oder schlecht funktionieren, muss aber stets im Einverständnis mit den Patienten erfolgen (also mit vorheriger Unterschrift). Sonst ergibt sich eine rechtliche Grauzone.
In jedem Fall führt das aber zu mehr Kontrolle, zu mehr Bürokratie, zu mehr Personalaufwand. Und so natürlich auch zu mehr Ärger, Ärger beim No-Show und Ärger beim Geldkassieren. Spaß sieht anders aus.
Dabei könnte ein wenig Anstand völlig ausreichen: Termin rechtzeitig absagen, wenn man nicht kann. Ist das so schwer?
Bildquelle: The 5th, Unsplash