Es ist Samstagmorgen und die klassische Zeit, zu der ich blogge. Heute bin ich aber vollkommen übermüdet, weil ich seit Tagen schlecht schlafe. Ich komme nicht zur Ruhe.
Das liegt zum einen daran, dass ich eine Erkältung habe und mir die Seele aus dem Leib huste, zum anderen daran, dass auch meine Kinder eine Erkältung haben und sich die Seele aus dem Leib husten.
Das heißt im Umkehrschluss jedoch auch: es ist nur eine anstrengende Phase und geht vorbei. Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die mit gutem Schlaf gesegnet sind, sofern keine Lebensereignisse oder Situationen mich zum Nachdenken bringen.
Denn wo schafft es die Psyche am ehesten, mit einem zu sprechen, wenn sie im allgemeinen Tagesablauf keine Beachtung findet? Genau, im Schlaf.
„Du schläfst? Fantastisch. Dann hör’ mir zu!“ sagt sie, und rüttelt uns wach. Der Seismograph der Seele.
Schlafstörungen haben fast immer eine Ursache, die in vielen Fällen psychisch, in manchen Fällen aber auch somatisch bedingt ist.
Organischen Ursachen, denen wir nachgehen sollten, finden sich häufig bei Menschen in den mittleren Lebensjahren: ausgeprägtes Schnarchen, Schlafapnoe, Blutdruckprobleme, kardiale Erkrankungen. Auch nächtliche Schmerzen oder eine Bewegungsunruhe der Beine sollten abgeklärt werden.
Viele Schlafstörungen sind aber psychisch bedingt. Sie können auf eine Depression hindeuten, insbesondere, wenn man regelhaft in den frühen Morgenstunden aufwacht und nicht wieder einschlafen kann (Durchschlafstörungen). Panikstörungen äußern sich gerne in Einschlafstörungen, weil die Seele nicht zur Ruhe kommt.
Suchterkrankungen stören unseren Schlaf ebenfalls, denn auch wenn das „Feierabendbierchen“ das Einschlafen fördert, stört es erheblich die Schlafphasen und das tiefe Schlafen. Der Schlaf ist somit weniger erholsam.
Aber auch lebensbelastende Situationen bringen uns um den Schlaf: Stress im Job, Probleme in der Beziehung, finanzielle Sorgen, ein schwieriges Schlafumfeld.
Da kommt zum Beispiel dieser eine Patient in die Praxis. Er klagt über Kopfschmerzen, permanente Schlafstörungen und eine traurige Stimmung. Das Problem lässt sich leicht finden: Er ist Polizist und neben seiner psychisch belastenden Tätigkeit und der hohen Arbeitsbelastung arbeitet er in Wechselschicht. An den Tagen, an denen er schlafen könnte, ist sein Biorhythmus noch vollkommen durcheinander. Auch viele Ärzte leiden unter Schlafstörungen, denn auch bei uns gehören Schichtdienst und psychische Belastungen dazu.
Auch das Alter kann den Schlaf verändern. Ältere Menschen schlafen zum Teil tagsüber öfter ein, sind dafür in der Nacht länger wach und werden wegen des leichteren Schlafs auch durch kleinere Störungen schneller wach.
Ich denke an eine 78-jährige Patientin: Alle organischen Ursachen sind abgeklärt und dennoch ist sie jede Nacht zwei Stunden wach, steht dann auf, bügelt, schaut etwas fern und schläft in den Morgenstunden wieder für drei Stunden ein. Sie fühlt sich eigentlich nicht gestört dadurch, findet es aber auch nicht normal.
Ich habe irgrendwann mal eine nette, evolutionsbiologische Erklärung für dieses Phänomen gelesen, die ich älteren Patienten gerne mitgebe. Natürlich muss man ein paar Abstriche von der Erklärung machen, da wir einfach nicht mehr in Höhlen leben und von Säbelzahntigern angegriffen werden. Aber nett finde ich sie trotzdem:
Der Theorie zufolge schlafen ältere Menschen nicht mehr so fest, weil sie im Familienverbund die Aufgabe haben, die Angehörigen in der Nacht zu bewachen. Der Mann muss tagsüber die Säbelzahntiger jagen, die Frau hütet die Kinder und geht Nahrungsmittel sammeln. Es hat also jeder seine feste Aufgabe im Höhlenmenschenverbund und die Erwachsenen brauchen den Nachtschlaf. Deswegen haben die Älteren, die nicht mehr jagen und sammeln können, die wichtige Aufgabe, die Familie im Gefahrenfall zu warnen.
Diese Erklärung zaubert den meisten älteren Menschen ein Lächeln auf die Lippen, weil es ihnen das Gefühl von „gebraucht werden“ gibt. Selbst wenn man seine Höhlenmenschen nicht mehr um sich hat.
Bei kürzeren Phasen von Schlafstörungen kann man sich gerne selbst mit leichten, pflanzlichen Medikamenten helfen. Oft helfen auch schon feste Schlafrituale, eine ruhige Schlafumgebung und ein fester Rhythmus.
Wenn die Tagesmüdigkeit überhand nimmt, man nächtliches Herzrasen oder Druck auf der Brust hat, bei Schmerzen oder Missempfindungen: ab zum Doc.
Wenn Schlafstörungen länger als vier Wochen anhalten, sollten sie ärztlich abgeklärt werden. Denn auch richtige Schlafmittel sollte man keinesfalls länger als wenige Tage einnehmen, da sie abhängig machen können. Eine ärztliche Aufsicht ist also unabdingbar.
Wichtig ist: Hört auf euren Seismographen. Wenn’s bebt, bringt ihn zur Ruhe. Gerne auch mit Hilfe von außen, denn Seelenbeben kann man oft nicht alleine zur Ruhe bringen.
Bildquelle: James St. John, Flickr