Eine Ü-40-Schwangerschaft ist schon lange keine Ausnahme mehr. Aber welche medizinischen Risiken bestehen? Meine Einschätzung als Gynäkologin.
1980 lag das durchschnittliche Alter einer Erstgebärenden in Westdeutschland bei 25 Jahren. Laut statistischem Bundesamt beträgt das derzeitige Durchschnittsalter bei der ersten Entbindung 30 Jahre. Interessant ist bei dem aktuellen Wert aber vor allem die dazugehörige Pressemitteilung: „Bemerkenswert ist die steigende Geburtenhäufigkeit der Frauen ab 40 Jahren. Mütter im Alter ab 40 Jahren brachten 2018 rund 42 800 Babys zur Welt. Zwar war ihre Geburtenhäufigkeit mit 88 Kindern je 1000 Frauen immer noch relativ gering, hat sich aber gegenüber 23 Kindern je 1000 Frauen in 1990 fast vervierfacht.“
Frauen, die älter als 35 Jahren sind, werden in der Vorsorge als spätgebärende Risikoschwangere angesehen und im Mutterpass wird dies vermerkt. In den gynäkologischen Praxen erleben wir schon länger eine Verschiebung dieser Altersgrenze in Richtung 40. Lebensjahr und darüber hinaus.
Das Thema „Späte Mutterschaft“ beschäftigt nicht nur die sozialen Medien, sondern auch die medizinische Fachliteratur. Der Gynäkologe widmete sogar eine gesamte Ausgabe dem Thema „Schwangerschaft mit 40+“.
Mitarbeiter des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden beschäftigten sich mit der Ursachenforschung und allgemeinen Trendlage im deutschsprachigen Raum. Fakt ist, dass der Anstieg des durchschnittlichen Alters der Mütter in erster Linie auf die späte Geburt ihres ersten Kindes zurückzuführen ist. Der entscheidende Auslöser ist das veränderte gesellschaftliche Rollenverständnis von Frauen. Daraus folgen verlängerte Ausbildungswege, was insbesondere auf höher qualifizierte Frauen zutrifft.
Weiterhin hat sich die Haltung bei Frauen verstärkt, vor der Familiengründung zunächst eine gesicherte berufliche Position anzustreben. Ein anderer Aspekt sind Lebensumbrüche und Patchwork-Konstellationen, die eine weitere, spätere Familiengründung nach sich ziehen. Außerdem ist die späte Realisierung des Kinderwunsches auch ein Resultat des medizinischen Fortschritts in der Reproduktionsmedizin.
Interessante Familienleitbildanalysen für Deutschland besagen, dass bei etwa der Hälfte der Befragten das 40. Lebensjahr als normative Obergrenze für die Geburt von Kindern gilt. Im Vergleich zu später Mutterschaft wird späte Vaterschaft signifikant häufiger akzeptiert. Erneut in Fahrt gekommen ist das Thema durch Diskussionen um das sogenannte „Social Freezing“, also die Kryokonservierung von Eizellen in jüngeren Jahren aus nicht medizinischen Gründen.
Die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, nimmt mit zunehmendem Lebensalter zu. Thrombosen oder andere Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems seien hier stellvertretend genannt.
Die zusätzlichen medizinischen Aspekte einer späten Mutterschaft sind vielfältig und beginnen bereits mit der abnehmenden Fertilität bei steigendem Alter der Eltern. „Ein Paar, welches 40 Jahre alt ist, hat eine halb so hohe Fruchtbarkeit wie ein Paar mit 30 Jahre.“, so C. Haslinger vom Universitätsspital Zürich im Fachmagazin Der Gynäkologe. Er sieht eine auffallende Abnahme der weiblichen Fertilität ab dem 37. Lebensjahr, aufgrund der ungünstigeren ovariellen und hormonellen Situation. Bei Männern diskutiert man ebenfalls eine nachlassende Fertilität mit zunehmendem Lebensalter, unter anderem ausgelöst durch Stress, Umweltfaktoren und genetische Veränderungen, was im Grunde aber auf beide Partner zutreffen kann.
Weiterhin ist ein höheres mütterliches Alter assoziiert mit einer steigenden Abortwahrscheinlichkeit. Die Spontanabortrate bei unter 30-jährigen Frauen liegt bei 10–15 %, bei 40-jährigen bei ca. 25 % und bei 45-jährigen bei ca. 50 %. Fetale Chromosomenaberrationen nehmen mit dem Alter zu. Das Risiko für eine Trisomie 21 als häufigster Chromosomenstörung liegt bei 1:1000 bei unter 30- und bei 1:30 bei 45-jährigen Frauen.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Extrauteringravidität ist bei über 35-jährigen bis zu 8-fach höher, da mit steigendem Lebensalter auch die Risikofaktoren zunehmen. Schwangerschaftshypertonie, Präeklampsie und Gestationsdiabetes werden bei älteren Schwangeren signifikant häufiger beobachtet. In einer groß angelegten schwedischen Studie war das Risiko für Schwangerschaftshypertonie und Gestationsdiabetes 4,7 und 6,4-fach erhöht.
Eine Placenta praevia wird bei 35- bis 44-jährigen Patientinnen 2,8-fach und bei über 45-jährigen 4,5-fach häufiger diagnostiziert als bei jüngeren Frauen. An fetalen Komplikationen werden bei fortgeschrittenem Alter der Mutter vermehrte Frühgeburtlichkeit und intrauterine Wachstumsretardierung gesehen. Studien zeigen darüber hinaus eine Assoziation von höherem mütterlichem Alter und IUFT-Risiko. So ist das Risiko für eine Totgeburt bei über 45-jährigen Frauen bis zu 3,8-fach höher als bei 20- bis 29-jährigen Patientinnen. Sind Frauen bei der Entbindung älter, steigt die Sectiorate, wie eine aktuelle Studie aus den USA zeigte.
Aus meiner Erfahrung: Ja und Nein.
Patientinnen, die bereits berufliche Ziele erreicht haben, in stabilen Partnerschaften leben und Freizeitaktivitäten, wie etwa Reisen, ausleben konnten, sehen weniger eine persönliche Einschränkung durch Schwangerschaft und Mutterschaft. Andererseits geraten sie aufgrund des fortgeschrittenen Alters schneller unter Erfolgsdruck. „Das ist jetzt meine letzte Chance. Das muss jetzt unbedingt klappen!“, sagte kürzlich eine frühschwangere Patientin unter Tränen in der Praxis. Vorausgegangen waren bei der 41-jährigen zwei Aborte und eine längere Sterilitätstherapie.
Es gibt die ältere Erstgebärende, die gelassen und in sich ruhend wirkt, genauso wie die stark besorgte 40-jährige, die jegliche Art der Pränataldiagnostik ausreizt und keinem Ergebnis traut. Manchmal entscheidet auch mehr das persönliche Empfinden als das Lebensalter, wie Patientinnen mit der eigenen Schwangerschaft umgehen.
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