Die Apothekerin stutzt. Vorsichtig fragt sie den jungen Kunden, ob ihm wirklich Tabletten gegen Osteoporose verordnet wurden. Seine Erklärung freut sie.
Die Apothekerin stutzt kurz, als ihr das Kassenprogramm nach dem Scannen des Medikamentes meldet: „Untypische Medikation bei Geschlecht männlich“. Sie betrachtet das Rezept näher. Alendronat-Tabletten wurden verordnet. „Sie haben ein Medikament gegen Osteoporose verordnet bekommen, ist das richtig?“, fragt sie den jungen Mann vorsichtig – es wäre nicht das erste Mal, dass versehentlich ein Rezept falsch bedruckt wurde. Doch alles hat seine Richtigkeit, denn der Patient erhält eine Kortisontherapie. Er ist einer der wenigen, der adäquat behandelt wird.
Die Osteoporose gilt fälschlicherweise bei vielen Menschen ausschließlich als Krankheit bei Frauen nach der Menopause. Screenings werden daher seltener genutzt, als sie eigentlich nötig wären. Denn tatsächlich betrifft diese gefährliche Erkrankung einige Patientengruppen. Alleine in Deutschland gibt es mehr als 8 Millionen Betroffene. Und die Tendenz ist, durch die älter werdende Bevölkerung, steigend. Umso wichtiger ist es, dass Apotheken umfassend beraten und bei Verdachtsmomenten auf eine Untersuchung durch den Arzt hinweisen.
Gefährdet sind neben der größten Gruppe der postmenopausalen Frauen vor allem Personen mit Krankheiten wie Morbus Cushing, Diabetes, bestimmten Tumoren oder entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Aber auch eine mögliche Hormon- oder Stoffwechselstörung, Essstörungen und Malabsorptionsproblemen sollten hier bedacht werden.
Wer über einen längeren Zeitraum Cortison, Hormonsenker, bestimmte Cholesterinsenker, Protonenpumpenhemmer, Schilddrüsenhormone, Neuroleptika, Antidepressiva, Antiepileptika oder Laxantien einnimmt, sollte ebenfalls an ein Screening denken. Bei der Cortisoneinnahme gilt eine Schwelle von 7,5 Milligramm pro Tag über eine Dauer von drei bis sechs Monaten als problematisch für die Erhaltung der Knochendichte. Daher rät die Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose“ zur regelmäßigen Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dieser Medikamente.
Zur Diagnose bestimmt der Arzt mittels Knochendichtemessung den T-Score. Liegt dieser unter -2,5 so gilt die Osteoporose als gesichert. Kommen weitere Faktoren, wie zum Beispiel vorangegangene Wirbelbrüche, dazu, so spricht man von einer manifesten oder fortgeschrittenen Osteoporose.
Bildquelle: Leitlinie Osteoporose
Zur Behandlung muss laut Leitlinie eine Einnahme von mindestens 1.000 mg Calcium und 800 bis 1.000 ug Vitamin D sichergestellt werden. Wenn das über die Nahrung und das Sonnenlicht nicht möglich ist, wird supplementiert. Des Weiteren gilt die Wirkung von Alendronat, Bazedoxifen, Denosumab, Ibandronat, Östrogenen, Teriparatid (rhPTH1-34), Raloxifen, Risedronat, Tibolon und Zoledronat bei unterschiedlichen Ursachen für Osteoporose als gesichert.
Bisphosphonate gelten als First-Line-Präparate und umfassen die Wirkstoffe Alendronat, Ibandronat, Risedonat und Zoledronat. Sie werden in die mineralisierte Knochensubstanz eingelagert und bei Knochenresorptionen freigesetzt. Bisphosphonate hemmen die Aktivität der Osteoklasten, die an der Knochenoberfläche Bindegewebe und mineralische Anteile phagozytieren, nachdem sie diese aus der Matrix herausgelöst haben. Da Bisphosphonate nach oraler Gabe nur zu einem sehr geringen Anteil in die Knochen eingebaut werden können, ist es unerlässlich, für optimale Bedingungen bei der Einnahme durch den Patienten zu sorgen. Die Bioverfügbarkeit liegt selbst bei optimalen Bedingungen nur bei 0,6–6 Prozent.
Einmal wöchentlich werden die Bisphosphonate daher nüchtern eingenommen. Mit Calcium bilden sich unlösliche Komplexe und der Wirkstoff gelangt so nicht durch die Darmwand. Da mindestens ein Glas Wasser nach der Tablette getrunken werden sollte, ist es nötig, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, kein Wasser zu benutzen, das mit Calcium angereichert wurde. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen, aber auch Magen- und Darmprobleme sowie Schwindel, Juckreiz, Wassereinlagerungen und Haarausfall können auftreten. Speiseröhrenentzündungen kommen ebenfalls vor, besonders wenn die Tabletten mit zu wenig Wasser geschluckt werden. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, die Patienten darüber aufzuklären, dass sie sich nach der Einnahme erstmal nicht hinlegen dürfen und den Oberkörper aufrecht halten sollen.
Östrogene hemmen direkt die Aktivität der Osteoklasten, daher steigt die Gefahr der Osteoporose nach der Menopause an, wenn der weibliche Körper weniger Östrogene bildet. Diese Funktion machen sich auch die selektiven Estrogenrezeptormodulatoren (SERM) Bazedoxifen und Raloxifen zu Nutze. Wie bei den Bisphosphonaten wird der weitere Knochenabbau abgebremst, jedoch geschieht das auf eine andere Weise. Die Molekülstruktur der SERM ähnelt der von Östrogenen, sodass sie selektiv deren Rezeptoren an den Osteoklasten nutzen können. Auf die Gebärmutterschleimhaut haben die Arzneistoffe keinen Einfluss, sie senken aber nachweislich das Brustkrebsrisiko. Es können als Nebenwirkungen auftreten: Glieder- und Gelenkschmerzen, Entzündungen der Luftwege, Magen- und Darm-Beschwerden, Krämpfe, Wassereinlagerungen, Stimmungsschwankungen und eine Zunahme der Gerinnungsneigung des Blutes.
Teriparatid ist ein biotechnologisch hergestelltes Fragment eines Parathormons. Es stimuliert die Osteoblasten, damit sie neue Knochensubstanz bilden können. Patientinnen müssen sich den Wirkstoff mit einem Autoinjektions-Pen täglich subkutan injizieren. Das Mittel ist in Deutschland nur zur Behandlung postmenopausaler Frauen zugelassen und verbessert nachweislich die Mikroarchitektur der Knochen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel und Beinkrämpfe.
Denusomab ist ein humaner monoklonaler Antikörper. Er bindet an RANKL, ein Protein, das als Ligand für den Transmembranrezeptor RANK fungiert. Es reguliert vor allem die Bildung und Aktivität von Osteoklasten und die Resorption von Knochen. Denusomab hemmt die Wechselwirkung von RANKL mit seinem Rezeptor RANK auf die Osteoklasten und reduziert dadurch den Knochenabbau. Besonders für Patientinnen mit einem hohen Frakturrisiko, Nierenfunktionsstörungen oder Schwierigkeiten bei der Einnahme oraler Bisphosphonate stellt dieser Wirkstoff eine Alternative dar.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Harnwegsinfektionen, Atemwegsinfekte, grauer Star, Hautreaktionen, Obstipation, Ischias- und Gelenkschmerzen. Sehr selten auftretende Nebenwirkungen sind Hypokalzämien, Femurfrakturen und die Kieferosteonekrose. Um diese Gefahr zu verringern, sollte vor der ersten Gabe von Denusomab eine zahnärzliche Kontrolle erfolgen. Der Wirkstoff steht als Injektionslösung in einer Fertigspritze zur Verfügung, die einmal alle sechs Monate als subkutane Injektion in den Oberschenkel, den Oberarm oder die Bauchregion appliziert wird.
Obwohl also zahlreiche Möglichkeiten bestehen, eine Osteoporose so zu behandeln, dass sich die Knochendichte und -struktur nicht nur erhalten, sondern auch wieder stärken lässt, ist die Unterstützung für betroffene Patienten oft nicht ausreichend. Experten kamen erst kürzlich zu dem Schluss, dass nur etwa ein Viertel der Betroffenen leitliniengerecht behandelt werden
Wichtig ist, zunächst einmal überhaupt die Diagnose zu stellen. Hier können Apotheken hilfreich sein, indem sie gezielt gefährdete Gruppen ansprechen und auf das Risiko aufmerksam machen. Vor wenigen Jahren war die Diagnose Osteoporose noch gleichbedeutend mit der Tatsache, dass man den fortschreitenden Verlust der Knochensubstanz maximal noch verlangsamen kann. Heute gibt es wirksame Medikamente, die sogar beim Wiederaufbau der Struktur helfen können. Hier berät jede Apotheke umfassend und leitliniengerecht.
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