Es gibt diese Fälle, die uns daran erinnern: Nachhaken kann Leben retten. Und wenn man nicht die richtigen Fragen stellt, kann das für Patienten tödlich enden. Das betrifft nicht nur Ärzte, sondern auch das Apothekenpersonal.
Ein 80-Jähriger steht in der Apotheke und möchte ein Medikament für seine Frau kaufen. Sie fühle sich in den letzten Tagen so schwach und müde, erzählt er. Seine Frau hat erhöhte Temperatur und einen niedrigen Blutdruck. Er bekommt für seine Frau Ibuprofen, Korodin und den guten Rat, genügend zu trinken mit auf den Weg. Da es bereits Freitagabend ist, empfiehlt der Apotheker zusätzlich einen Arztbesuch spätestens am Montag morgen, wenn sich die Symptome nicht bessern sollten. Am Sonntag wird die Kundin notfallmäßig in die Klinik eingewiesen, wo sie in der Nacht verstirbt. Was war geschehen?
Die ältere Dame hatte diverse Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus und starkes Übergewicht. Anfang der Woche war sie bei der Gartenarbeit in einen Dorn getreten und die Wunde hatte sich eitrig entzündet. Normalerweise reagiert der Körper bei einer solch kleinen Wunde adäquat, doch in manchen Fällen wird das Immunsystem fehlgesteuert und Erreger wie Bakterien und deren Toxine, Viren oder Pilze gelangen in den Blutkreislauf. Eine Sepsis – landläufig auch Blutvergiftung genannt – entsteht. Sie ist die häufigste Todesursache bei Infektionen und kostet in Deutschland jedes Jahr 60.000 Menschen das Leben.
Der „rote Strich“, der bei der Infektion einer Wunde der Lymphbahn folgt, kann ein Zeichen für eine sich entwickelnde Sepsis sein, ist es aber tatsächlich in den seltensten Fällen. Folgende Symptome sind unspezifisch und können, müssen aber nicht auftreten:
Die Sepsis kommt übrigens nicht nur nach äußerlichen Verletzungen, sondern auch im Verlauf einer Blasen- oder Lungenentzündung vor.
Hätte der Apotheker das zwingend wissen müssen? Die Antwort lautet: eher nicht, denn die Information, dass sich die Patientin eine schlecht heilende Wunde zugezogen hatte, fehlte ihm. Dem Ehemann erschien sie nicht relevant, denn durch den Diabetes seiner Frau war er an schlecht heilende Wunden bei ihr gewöhnt.
Was lernen wir nun daraus? Erstens, dass wir genauer fragen müssen, ob noch irgendwelche zusätzlichen Beschwerden vorliegen. Zweitens, dass bei Fieber, Schwächegefühl und niedrigem Blutdruck die Alarmglocken schrillen sollten. Und drittens, dass wir besonders Patienten mit diversen Vorerkrankungen bei unsicherer Diagnose besser in die Notaufnahme schicken sollten. Eine Sepsis kommt häufiger vor, als man denkt – und verläuft leider viel zu oft tödlich. Auch wenn im Grunde klar ist, dass der Apotheker keine Schuld im eigentlichen Sinne trifft – es wird ihn noch lange verfolgen, dass die Patientin vielleicht noch leben könnte, wenn sie früher ins Krankenhaus gekommen wäre.
Bildquelle: NeONBRAND, unsplash