Zwei als Elfen verkleidete Frauen machen jetzt im Fernsehen Werbung für die 116 117. Während Notfallmediziner die Aktion kritisieren, reagiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Initiator der Kampagne gelassen.
Nur jeder fünfte Bürger kennt die alternative Notfallnummer 116 117. Damit sich das ändert und diese Nummer genauso bekannt wird wie die 112, wurde eine Werbekampagne gestartet. Der dazugehörige TV-Spot wird allerdings von Intensiv- und Notfallmedizinern kritisiert. Zu Recht?
„Die Werbung bagatellisiert in den Augen von Mitarbeitern in den Notfallaufnahmen die tatsächliche Brisanz und Schwierigkeiten in diesem Bereich“, sagt Prof. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital in Eschweiler.
Seiner Meinung nach wird die „vermutlich auch sehr kostenintensive Aktion […] dem zu vermittelnden Inhalt in keiner Weise gerecht.“ Berechtigte Kritik oder Genörgel aus dem Elfenbeinturm?
42 Prozent der Menschen in Deutschland gehen nachts und am Wochenende mit Bagatellen ins Krankenhaus und 23 Prozent alarmieren den Rettungsdienst. Dagegen wenden sich nur 26 Prozent an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Das verschwendet Unmengen an Ressourcen, die anderweitig dringend benötig werden.
Die Zusammenarbeit von kassenärztlichen Medizinern und Krankenhausärzten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser läuft auch nicht immer rund, was Ärzten die Arbeit erschwert und Patienten das Gefühl vermittelt, hin- und hergeschickt oder abgewimmelt zu werden.
Damit sich das ändert, soll die Zahl der fehlgeleiteten Patienten reduziert werden. Dazu soll die kostenlose Rufnummer 116 117 beitragen, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ins Leben gerufen und finanziert wurde, also letztendlich von niedergelassenen Vertragsärzten und ‑Psychotherapeuten.
Außerhalb der Sprechzeiten können Patienten eine Bereitschaftspraxis aufsuchen oder sich an die 116 117 wenden, wo sich medizinisch geschultes Personal um ihr Anliegen kümmert, mithilfe einer Software eine medizinische Ersteinschätzung vornimmt und dann an den nächsten Bereitschaftsdienst verweist. Gegebenenfalls kann so auch ein Arzt zum Anrufer nach Hause geschickt oder bei lebensbedrohlichen Beschwerden der Rettungsdienst alarmiert werden.
Diese Anlaufstelle kennt aber kaum jemand – einer Befragung der KBV zufolge sogar nur 37 Prozent der Bevölkerung. Und nur die Hälfte davon konnte die Notfallnummer korrekt nennen, obwohl es sie schon seit 2012 gibt. Bisher bekam man unter der 116 117 nur in der sprechstundenfreien Zeit Auskunft, ab 2020 wird diese Nummer rund um die Uhr besetzt sein.
Bei der KBV nimmt man die Kritik an der Werbeaktion gelassen auf. Pressesprecher Dr. Roland Stahl schreibt dazu auf Twitter: „Es gibt einen alten Werberspruch: Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Wir wollen im ersten Schritt die 116 117 bekannter machen – eben bei der Bevölkerung, die sich nicht tagtäglich damit beschäftigt.“ Die Verbreitung der Nummer soll bewirken, dass Menschen sich informieren, bevor sie Notaufnahmen in Krankenhäusern aufsuchen, obwohl sie kein Notfall sind.
Damit Menschen die 116 117 endlich wahrnehmen und nutzen, erscheinen die Elfen bis 2021 bundesweit im Privatfernsehen, online und auf Plakaten. Für 2020 ist eine weitere Kampagne geplant, um auf neue Angebote wie einen Terminservice aufmerksam zu machen. Die Idee mit den Elfen wurde entwickelt, damit sie im Gedächtnis bleiben, weil die beiden Märchenwesen kurios, skurril und buchstäblich merkwürdig sind. Das könnte funktionieren, denn viele haben vermutlich noch den damals populären Spot mit der Nummer der Telefonauskunft im Ohr: „Da werden Sie geholfen …“
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