Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat seinen Abschlussbericht zur Gabe von Biologika bei rheumatoider Arthritis vorgelegt. Darin kritisieren die Autoren einen Punkt besonders.
Im Sommer 2018 legte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) seinen Vorbericht zur Nutzenbewertung von biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen – sogenannten Biologika – in der Rheuma-Therapie vor und bat um Stellungnahmen. Jetzt wurde der Abschlussbericht veröffentlicht.
Es fehlen nach wie vor Langzeituntersuchungen und vor allem Studien, in denen mindestens zwei der neun zu bewertenden Wirkstoffe gegeneinander getestet wurden. Das ist vor allem verwunderlich, weil Biologika seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten auf dem Markt sind und an potenziellen Studienteilnehmern kein Mangel herrscht. Dennoch gibt es wichtige neue Erkenntnisse, auch weil Hersteller dem IQWiG auf Anfrage weitere Auswertungen älterer Studien übermittelt haben.
Die rheumatoide Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung und die häufigste Form der chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen. Die Patienten leiden unter Schmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung, depressiven Verstimmungen und körperlichen Funktionseinschränkungen. Damit geht ein Verlust von Lebensqualität, Selbstständigkeit und Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben einher. Die Behandlung zielt vorrangig darauf ab, Patienten weitgehend von Krankheitssymptomen zu befreien und die Gelenkzerstörung zu verhindern. Wo dies nicht möglich ist, soll zumindest die Krankheitsaktivität verringert werden.
Zur Behandlung werden unter anderem biotechnologisch hergestellte erkrankungsmodifizierende Antirheumatika eingesetzt, sogenannte Biologika. Sie werden aus Zellkulturen gewonnen und greifen an verschiedenen Stellen des Entzündungsprozesses ein. Biologika sind unter bestimmten Bedingungen sowohl in der Erstlinientherapie als auch für weitere Therapielinien zugelassen, teils in Kombination mit Methotrexat und teils als Monotherapie. Daraus ergeben sich sieben Therapiesituationen, für die das IQWiG im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Vor- und Nachteile der neun Substanzen untersuchen sollte.
Zur Untersuchung der Vor- und Nachteile der Biologika bieten sich sogenannte Netzwerk-Metaanalysen an, in denen man klinisch und methodisch hinreichend ähnliche Paarvergleiche zu einem Netzwerk zusammenfügt. Das ermöglicht, im Idealfal, den Vergleich eines jeden Wirkstoffs mit jedem anderen.
In der Erstlinientherapie in Kombination mit Methotrexat gibt es beim primären Therapieziel, der klinischen Remission, keinen Anhaltspunkt für einen höheren oder geringeren Nutzen eines Biologikums gegenüber den anderen. Eine niedrige Krankheitsaktivität war mit Adalimumab und mit Etanercept besser zu erreichen als mit Certolizumab oder Tocilizumab, woraus sich jeweils ein Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen ergibt. Weitere Unterschiede zeigten sich nicht.
Nach dem Versagen von Methotrexat allein können die Patienten zusätzlich ein Biologikum erhalten. In dieser Therapiesituation zeigte sich für alle Wirkstoffe mit Ausnahme von Etanercept ein höherer Nutzen im Vergleich zu Anakinra. Für Certolizumab gibt es einen Anhaltspunkt für einen höheren Schaden wegen mehr Nebenwirkungen im Vergleich zu allen anderen Wirkstoffen. Darüber hinaus zeigten sich unter Golimumab und Tocilizumab mehr Nebenwirkungen als unter Infliximab. Unter Tocilizumab brachen außerdem mehr Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen ab als unter Abatacept. Diese Ergebnisse wurden jeweils als Anhaltspunkt für einen höheren Schaden gewertet.
Für die Kombinationstherapie nach Biologikum-Versagen hat die Übermittlung von Daten zu den passenden Teilpopulationen Aussagen zu einigen Biologika und Endpunkten ermöglicht. Auch zur Monotherapie nach Methotrexat-Unverträglichkeit konnten nun – erstmals überhaupt – Ergebnisse zu Endpunkten ermittelt werden, die in den Studienunterlagen ursprünglich nicht enthalten waren.
Für die drei verbleibenden Therapiesituationen der Nutzenbewertung war wegen der unzureichenden Datenlage kein Fazit möglich.
Neben den Ergebnissen zum Nutzen und Schaden der Biologika zeigt diese Bewertung exemplarisch, wie auch die Daten älterer Studien für neue Methoden wie Netzwerk-Metaanalysen genutzt werden können. Diese Methode kann nur eingesetzt werden, wenn die Patientenpopulationen, die in die Analyse eingehen, hinreichend ähnlich sind. Das wurde hier für viele Studien erreicht, indem die Hersteller auf der Basis alter Studiendaten neue Analysen der relevanten Patientenpopulationen zur Verfügung stellten.
Weitere Reanalysen der alten Daten betrafen die Nutzen-Endpunkte klinische Remission und niedrige Krankheitsaktivität. Auf Basis der aktuellen Definitionen dieser Endpunkte berechneten die Hersteller Ergebnisse für diejenigen Studien neu, in denen ältere Definitionen verwendet worden waren. Diese wichtigen Informationen stehen nun erstmals auch für zukünftige Bewertungen von Arzneimitteln zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zur Verfügung.
Beispielsweise fielen die Ergebnisse für den Wirkstoff Tocilizumab unter Verwendung einer aktuellen Definition, die keine Entzündungsparameter einbezieht, durch die Bank weniger positiv aus als unter Verwendung der älteren Operationalisierung.
Diese Unterschiede in den Ergebnissen sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass Tocilizumab im Vergleich zu anderen Biologika verstärkt auf die Entzündungsparameter wirkt. Erst die Verwendung der aktuellen Operationalisierung ohne Entzündungsparameter ermöglicht also einen fairen Vergleich der Biologika untereinander.
Aus einem allzu dünn besetzten Netzwerk lassen sich keine zuverlässigen Aussagen über die Fragestellung des Auftrags ableiten. Das IQWiG hat sich für eine 50-Prozent-Schwelle entschieden. Dementsprechend wurden Netzwerk-Metaanalysen nur zu den Therapiesituationen berechnet, für die Daten zu mindestens der Hälfte der jeweils zugelassen Biologika vorlagen. Daher wurden einige kleinere Studienpools, einzelne Endpunkte oder seltener vorgenommene Operationalisierungen von Endpunkten nicht untersucht.
Im Stellungnahmeverfahren haben mehrere Teilnehmer diesen Schwellenwert kritisiert. In der Diskussion war aber keine homogene Argumentationsrichtung erkennbar. Es gab keinen adäquaten alternativen Vorschlag, der dem Ziel des Auftrags an das IQWiG, nämlich dem Vergleich der Biologika untereinander, annähernd gerecht geworden wäre.
Textquelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Bildquelle: Dawn Huczek, Flickr