Die Importquote sei zu bürokratisch und sogar mit Gefahren verbunden, kritisieren Kassen, Apotheker und der Bundesrat. Für eine Abschaffung stimmten vor kurzem alle Länder – nur das Saarland nicht. Warum?
Das Zentrum der Macht ist nicht in Berlin – sondern im Saarland. Das verkündete bereits im März 2018 die heute-Show. Dass über diesen humorigen Beitrag aber besonders in der Pharmawelt niemand mehr lachen mag, hat Gründe. Zum Beispiel Lobbyismus. Und auch den unangenehmen Eindruck, dass der Zusammenhalt zwischen Politikern und Firmenchefs dieses kleinen Bundeslandes einen großen Einfluss auf die aktuellen Entscheidungen des Gesundheitsministers haben.
Die Saarland-Connection im Bundestag bilden Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Heiko Maas, Bundesaußenminister, und die frisch gebackene Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie vertreten – wie jeder andere Politiker – selbstverständlich die Interessen der Menschen in ihrem Wahlkreis. Doch darf dieses Engagement so weit gehen, dass darunter eine ganze Branche leiden muss?
Die Importquote stand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik. Die erwünschten großen Einsparungen für Versicherte hat sie nicht erreicht und für die abgebenden Apotheken ist sie mit großem Aufwand verbunden. Sie gilt außerdem als Einfallstor für gefälschte Arzneimittel. AOK, Ärzte- und Apothekerschaft und Bundesrat: Sie alle eint daher der Ruf nach einer Abschaffung der Importquote. Die Länder kritisierten die Importe als „bürokratische Doppelregulierung ohne großes Einsparpotenzial.“ Der Importzwang für die deutschen Apotheken „berge zudem die Gefahr nicht mehr nachvollziehbarer Handelswege.“ Für die Abschaffung plädierten damals 14 Bundesländer – Hessen enthielt sich – und nur das Saarland wollte weiter daran festhalten.
Gesundheitsminister Spahn sah das noch im Januar ähnlich wie die meisten Ländervertreter. Er wollte in seinem Entwurf zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die umstrittene Quote streichen. Nur wenige Tage später machte er aber auf einmal einen Rückzieher, die zunächst gestrichene Quotenregelung wurde leicht abgeändert wieder eingesetzt. Diese Entscheidung und das schnelle Umschwenken verursachten ließen auch die Fachpresse verständnislos zurück.
Die passende Erklärung dazu lieferte jetzt Journalist Markus Grill. Er verschaffte sich für den Rechercheverbund aus Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR Zugang zu Schriftsätzen des Wirtschaftsministeriums. Dort fand er den Ursprung der neuen Importquotenregelung. Er kam direkt aus dem Saarland, genauer gesagt vom Importeur Kohlpharma aus Merzig – und damit genau aus dem Wahlkreis von Peter Altmaier. Der ging mit teilweise ungewohnt scharfen Worten gegen den Vorstoß von Jens Spahn an.
Nach einem Treffen der beiden wurde dann der Ausstieg aus der Quotenregelung zurückgezogen und die neue dreiteilige Importquote erstmals vorgestellt. Offenbar hat hier der umtriebige Geschäftsführer und Lobbyist des Importeurs Kohlpharma Jörg Geller ganze Arbeit geleistet, um seinem Unternehmen weiteres Wachstum zu bescheren. Ein Vorgang, der auch von Transparency International beobachtet wird.
Wie tief die Gräben sind, die sich durch den Vorstoß des Gesundheitsministers aufgetan haben, macht Grill auch auf seinem Twitter-Account deutlich:
Warum Spahn sich umstimmen ließ, bleibt aber offen. Der Sprecher des Gesundheitsministers teilte dazu nur folgendes mit: „Kein Gesetzentwurf, der in den Bundestag eingebracht wird, wird ohne Änderungen vom Parlament beschlossen.“ Altmaiers Sprecherin erklärt schlicht, dass „zu etwaigen internen bilateralen Gesprächen“ keine Stellung genommen wird.
Wie reagieren nun die Apotheker auf diese Pharmaleaks? Da die Quote weiterhin erfüllt werden muss, ist es schwer, sich grundsätzlich dagegen zu wehren. Geller gibt dazu in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung an, die Regel sei „so komplex formuliert, dass die Apotheker verunsichert sind und sie deshalb wahrscheinlich übererfüllen. Das heißt, sie wird für die Importunternehmen wohl zu einer Umsatzausweitung führen.“
Ob unter diesen Voraussetzungen künftig die Firma Kohlpharma abgegeben, oder konsequent ausgelistet wird, um anderen Firmen den Vorzug zu geben, wird die Zeit zeigen. Möglicherweise war dieser neuerliche Skandal, der an die Öffentlichkeit geraten ist, aber auch einfach einer zu viel.
Bildquelle: Wolfgang Staudt, Wiki Commons