Wundinfektionen stellen häufig eine schwerwiegende Ursache für Wundheilungsstörungen dar. Der zum Teil noch häufige Einsatz von Antibiotika steht dabei im Widerspruch zu den aktuellen wissenschaftlichen und politischen Bestrebungen einer gezielten Antibiotikaverordnung mit strenger Indikationsstellung.
In aktuellen Debatten kommt der indikationsgerechten Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden ein besonders hoher Stellenwert zu. Trotz erheblicher Bemühungen sind die Rahmenbedingungen in der außerklinischen Versorgung heute noch oft unzureichend. Neun Wundexperten aus Deutschland und der Schweiz verfassten das Positionspapier „Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden – Fokus Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung“.
Sie geben einen Einblick in die Grundlagen und die Evidenz zur Behandlung lokal infizierter, nicht-heilender Wunden unter Berücksichtigung der beiden Wirkprinzipien passive Keimelimination, bzw. Keimbindung und aktive Keimabtötung. Zusätzlich fordern die Autoren eine Betreuung über spezialisierte, fachübergreifende Netzwerke.
Verlängerte Heilungsprozesse und negative Folgen
Besonders Menschen mit Erkrankungen wie Diabetes mellitus, arterieller Verschlusskrankheit oder chronisch venöser Insuffizienz sind von chronischen Wunden betroffen. Die Heilungsprozesse chronischer Wunden können zudem erheblich durch Wundinfektionen beeinträchtigt werden. Weiter heißt es im Positionspapier, dass gerade im ambulanten Versorgungsbereich lokale Wundinfektionen eine besondere Herausforderung darstellen und zu den Kernproblemen bei Wundheilungsstörungen zählen. Ziel der Behandlung muss daher die Vermeidung lokaler Wundinfektionen sein, um das Risiko einer kostenintensiven Behandlung zu minimieren und die Lebensqualität der Patienten zu maximieren. Ein ganzheitlicher Ansatz ist dabei unverzichtbar.
Lokale Wundinfektionen gezielt behandeln
Zentraler Bedeutung kommt als erster Schritt die Notwendigkeit einer Wundreinigung und die Überprüfung und Entfernung von Biofilmen zu. Ein gutes Exsudatmanagement kann den Experten zufolge die in chronischen Wunden enthaltenen, biofilmbildenden Bakterien eindämmen. Moderne Wundverbände mit direktem Kontakt zum Wundgrund erleichtern die Exsudataufnahme erheblich, ohne dabei die Wunde auszutrocknen. Je nach bakterieller Belastung können Verbände zur passiven Keimbindung oder zur aktiven Keimäbtötung eingesetzt werden. Die Anwendung von Wundverbänden mit passiver Keimelimination sind bei Wunden zur Infektionsprävention bei niedriger bakterieller Belastung indiziert. Weisen chronische Wunden ein hohes Infektionsrisiko oder eine bereits bestehende Infektion auf, sind antimikrobielle Wundtherapeutika zu verwenden. Octenidin, Polihexanid oder antimikrobielle Wundauflagen mit aktiven Wirkstoffen, z.B. silberhaltige Verbände, gelten hier als State-of-the-Art, um lokal Keime abzutöten. Einige Verbände mit aktiver Keimabtötung sorgen neben der Keim- auch für eine Biofilmabtötung und verhindern die Neubildung von Biofilmen. Ebenfalls erreicht die aktive Keimabtötung in der Wunde deutlich höhere Keimreduktionswerte als die Keimbindung.
Laut der Autoren ist eine antimikrobielle Behandlung allein bei vorhandenem Biofilm nicht ausreichend. Der Goldstandard ist hierbei eine Kombination aus chirurgisch-mechanischem Débridement bzw. Reinigung und lokaler antimikrobieller Behandlung.
Folgerichtig müssen beide Optionen – Keimbindung und Keimabtötung - den Therapeuten zur Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen. Dies muss auch in der aktuellen politischen Diskussion zur Abgrenzung von Verbandmitteln und sonstigen Produkten der Wundversorgung Berücksichtigung finden.
Das Positionspapier ist online frei verfügbar unter: https://shop.mhp-verlag.de/media/pdf/c2/22/9e/Positionspapier_WM0519.pdf
Quelle: Bonkowski T et al: Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden - Fokus Wundinfektion in der außerklinischen Versorgung. WUNDmanagement 2019; 13(5): 244-248