Eine Opioid-Krise nach US-Vorbild ist in Deutschland laut Experten zwar nicht zu erwarten. Doch die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin ist aus einem anderen Grund alarmiert.
Die Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA) 2018 liegen seit Anfang September vor. Die Umfrage des Instituts für Therapieforschung in München erfasst seit den 1980er Jahren den Konsum von Alkohol, Tabak, illegalen Drogen und Medikamenten. Ziel der Studie ist, Trends sichtbar zu machen. Auch die Auswirkungen der erhobenen Konsumgewohnheiten werden untersucht.
Ein wichtiges Ergebnis des Surveys: Knapp 26 Millionen Deutsche haben im untersuchten Zeitraum Schmerzmittel eingenommen, der Großteil davon ohne ärztliche Verordnung (31,4 %, 16,2 Mio. Menschen). Deutlich mehr Frauen als Männer nahmen Medikamente ein. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) sieht in der ESA-Studie erneut bestätigt, dass in Deutschland trotz Bedenken nicht von einer Opioid-Krise wie in den USA auszugehen ist. Das hatten weitere Experten bereits deutlich gemacht (DocCheck berichtete).
Sorgen bereitet den Schmerztherapeuten ein anderer Aspekt, der in den vorliegenden Daten deutlich wird. So betont Dr. Johannes Horlemann, Präsident der DGS, „dass auch der unsachgemäße Gebrauch freiverkäuflicher nicht-opioidhaltiger Analgetika über einen längeren Zeitraum (ab 15 Tage pro Monat) bedenklich sein kann.“ Durch einen Missbrauch solcher Schmerzmittel könne es unter anderem zu medikamenteninduzierten Kopfschmerzen kommen, gegen die dann weitere Analgetika eingenommen werden. Eine Spirale und Abhängigkeiten entstehen.
Zurzeit seien etwa 1,6 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren schmerzmittelabhängig. Die Arzneimittelabhängigkeit hat damit die Alkoholsucht überholt. Laut ESA-Daten werden diese Abhängigkeiten mehrheitlich durch freiverkäufliche Analgetika ausgelöst.
Die DGS unterstütze daher den Ansatz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, den Verkauf bisher frei erhältlicher Schmerzmitteln stärker zu kontrollieren. „Es ist zu wenig verbreitet, dass auch nicht-opioidhaltige freiverkäufliche Analgetika zur Sucht führen und sehr häufig psychische Folgeerkrankungen auslösen beziehungsweise gemeinsam mit ihnen auftreten“, hält Horlemann fest.
Opioide sollten daher nicht verteufelt werden. Im Gegenteil – die aktuelle Datenlage unterstütze vielmehr die Anwendung einer fachlich fundierten Opioidtherapie im Bereich der Schmerzmedizin, so Horlemann. Grundsätzlich sei der begründete Einsatz von Opioiden und nicht-opioidhaltigen Analgetike in der Schmerztherapie also wichtig und hilfreich, solle aber stärker reguliert werden, fordert die DGS.
Bildquelle: Michael Longmire, Unsplash