Der Behandlungserfolg einer kompletten Revaskularisation wurde jetzt von der COMPLETE-Studie bestätigt. Ist das die Antwort auf eine kardiologische Glaubensfrage?
Mehr bringt auch mehr: Bei Patienten mit ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI) und koronarer Mehrgefäßerkrankung ist die komplette Revaskularisation unter Einbeziehung auch von stenosierten Nicht-Infarktarterien im Vergleich zur alleinigen Revaskularisation der Infarktarterie die vorteilhaftere Strategie. Das belegt jetzt die COMPLETE-Studie.
Ob es besser ist, bei STEMI-Patienten mit koronarer Mehrgefäßerkrankung durch perkutane Koronarintervention (PCI) allein die infarktrelevante Arterie (Culprit Lesion) oder zusätzlich auch bei der Angiografie entdeckte Verengungen in anderen Koronararterien (Nonculprit Lesion) zu revaskularisieren, war lange Zeit unklar. In jüngster Zeit haben mehrere kleinere Studien eine rasche komplette Revaskularisation als vorteilhaft erscheinen lassen. Ob sich dadurch außer erneuten Revaskularisationen auch Re-Infarkte und Todesfälle verhindern lassen, konnten diese Studien aber nicht sicher klären.
Die jetzt beim ESC-Kongress von Dr. Shamit Mehta vorgestellte COMPLETE-Studie verleiht der Strategie der kompletten Revaskularisation als bislang größte Studie nun stärkeren Rückhalt. Die Ergebnisse belegen, dass die erweiterte Revaskularisation im Vergleich zur nur an der Infarktarterie ansetzenden Intervention (Culprit-Lesion-Only-PCI) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einschließlich Herzinfarkte in den nächsten drei Jahren signifikant um rund ein Viertel senkt.
An der COMPLETE-Studie waren 4.041 Patienten mit STEMI beteiligt, die alle erfolgreich einer primären PCI zur Wiedereröffnung der verschlossenen Infarktarterie unterzogen worden waren (Index-PCI). Davon wurden im Anschluss 2.016 Teilnehmer der Gruppe mit kompletter Revaskularisation und 2.025 der rein konservativ behandelten Gruppe mit Culprit-Lesion-Only-PCI zugeteilt.
Vor der Randomisierung mussten die Behandler angeben, ob sie eine komplette Revaskularisation (also die Revaskularisation von Nicht-Infarktarterien im zweiten Schritt, Nonculprit-Lesion-PCI), die innerhalb von 45 Tagen durchgeführt werden musste, schon in der Zeit des initialen Klinikaufenthalts oder erst nach Klinikentlassung durchführen wollten. Im einen Fall erfolgte die zweite PCI im Schnitt einen Tag nach Randomisierung, am anderen Fall im Schnitt nach 23 Tagen.
Erster ko-primärer Endpunkt der Studie war die Kombination der Ereignisse kardiovaskulär verursachter Tod und Myokardinfarkt. Die entsprechende Ereignisrate war im Follow-Up-Zeitraum von drei Jahren in der Gruppe mit kompletter Revaskularisation relativ um 26 % niedriger als in der Gruppe mit Culprit-Lesion-Only-PCI (7,8 % vs. 10,5 %: Hazard Ratio [HR] 0,74, 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,60–0,91; p=0,004).
Ausschlaggebend war dabei die Reduktion von Re-Infarkten, deren Rate nach kompletter Revaskularisation signifikant um 32 % niedriger war (5,4 % vs. 7,9 %; HR 0,68, 95 % CI 0,53 – 0,88, p=0,002). Bezüglich der kardiovaskulären Mortalität bestand kein relevanter Unterschied (2,9 % vs. 3,2 %, HR 0,93, 95 % CI 0,65 – 1,32)
Der zweite ko-primäre Endpunkt umfasste, außer kardiovaskulären Todesfällen und Herzinfarkten, zusätzlich erneute ischämiebedingte Revaskularisationen. Die Inzidenzrate für diesen erweiterten Endpunkt war mit 8,9 % vs. 16,7 % in der Gruppe mit intensiverer Revaskularisation signifikant um 49 % niedriger als in der Gruppe mit alleiniger Infarktarterien-PCI (HR 0,51, 95 % CI 0,43 – 0,61, p < 0,001).
Mit Blick auf beide ko-primäre Endpunkte gilt, dass der darin zu Ausdruck gekommene klinische Vorteil der kompletten Revaskularisation unabhängig von geplanten Timing der Nonculprit-Lesion-PCI war. Es machte also keinen Unterschied, ob die Revaskularisation verengter Nicht-Infarktarterien schon nach einem Tag oder erst nach einigen Wochen vorgenommen worden war.
Studienleiter Mehta betonte, dass es bei der kompletten Revaskularisation nicht um eine kurzfristige Vorbeugung von akuten oder subakuten Komplikationen gehe. Aus den COMPLETE-Daten gehe vielmehr klar hervor, dass der Nutzen dieser Strategie in einer langfristigen Prävention kardiovaskulärer Ereignisse zum Ausdruck komme. Mit zunehmender Beobachtungsdauer seien die Kurven für die Ereignisraten in beiden Gruppen immer weiter auseinander gedriftet.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der European Society of Cardiology (ESC)Bildquelle: Natalie Maguire, Flickr