An künstlichen Miniatur-Gehirnen konnte komplexe elektrische Aktivität gemessen werden. Laut Aussagen der Forscher ähnelt diese den Hirnstromwellen von Frühchen und könnte bald helfen, die Entstehung neurologischer Erkrankungen zu erforschen.
Die Wissenschaftler züchteten hunderte Organoide, die ungefähr die Größe von Erbsen aufweisen. Innerhalb von neun Monaten entwickelten die Miniatur-Gehirne neuronale Netze, die wiederum unterschiedliche Arten von Hirnströmen produzieren. Bisherige Forschung konnte bloß koordinierte Aktivität zwischen Neuronenpaaren nachweisen, nicht aber zwischen ganzen Gruppen. Die aktuelle Studie geht so einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem Modell, welches frühe Stadien eines komplexen Nervenzellnetzwerkes abbilden kann.
Und wie genau gingen die Forscher hier vor? Zunächst wurden Hautzellen von Erwachsenen in pluripotente Stammzellen umgewandelt, die sich wiederum zu Gehirnzellen entwickelten und auf mit Elektroden gespickten Platten gezüchtet wurden. Die Wachstumsumgebung simulierte Bedingungen für die Entwicklung der menschlichen Großhirnrinde. So konnten Glia- und Nervenzellen und sogar Nervenzellen mit GABA-Rezeptoren erzeugt werden.
Über die Elektroden wurde die elektrische Aktivität gemessen und mithilfe einer trainierten Künstlichen Intelligenz mit Messdaten von Frühchen verglichen. Die Forscher konnten Gamma-, Alpha- und Delta-Wellen bestimmen, ebenso grob das Entwicklungsstadium der Organoide. Mithilfe der Miniatur-Gehirne sollen künftig die Entstehung neurologischer Erkrankungen wie Autismus oder Schizophrenie untersucht und neue Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden.
Experten kritisieren den Vergleich mit einem Frühchengehirn und sagen, diese Interpretation gehe zu weit, da sich im menschlichen Gehirn deutlich mehr abspiele, als die EEG erfassen könne. Auch die Wissenschaftler selber betonen, das Organoid sei ein sehr rudimentäres Modell. Beide Seiten sehen jedoch einen Vorteil zum Mausmodell. Als nächstes soll getestet werden, ob die Organoide simple Aufgaben, wie die Reaktion auf einen Stimulus, lernen können. Außerdem soll eine Runde aus Biologen und Philosophen darüber diskutieren, wie Wissenschaftler feststellen können, ob Organoide womöglich ein Bewusstsein entwickeln.
Ein Artikel von Carolin Siebert
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