Kurioser geht es wohl kaum: Wer durchs Physikum fällt, darf bleiben. Wer es besteht, muss gehen. So in etwa geht es aber vielen Medizinstudenten mit einem Teilstudienplatz im begehrten Fach. Nach der Vorklinik ist Schluss und der Bewerbungsmarathon beginnt erneut.
Ist der 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung – im Volksmund immer noch als Physikum bezeichnet – bestanden, folgt unweigerlich die Exmatrikulation. Die Definition eines Teilstudienplatzes im Fach Humanmedizin besagt: Der Student hat das Recht auf vollständige Absolvierung des vorklinischen Studienabschnittes. Das Physikum-Zeugnis berechtigt ihn an seiner alten Hochschule nicht zum weiteren Medizinstudium. Auch sonst steht dem potenziellen Nachwuchsmediziner keine Tür offen. Zwar ist der Einstieg in höhere Semester mitunter einfacher als eine Zulassung zum ersten Semester. Einen Rechtsanspruch auf das klinische Studium gibt es aber nicht. Und so kommen jedes Jahr viele Medizinstudenten in den zweifelhaften „Genuss“, ihr Studium auf unbestimmte Zeit unterbrechen zu müssen. Immerhin: Das Teilstudium wirkt sich nicht wartezeitschädigend auf das Zulassungsverfahren von Hochschulstart.de aus.
Das Phänomen eines „halben Studiums“ gibt es praktisch nur im Fach Humanmedizin. Seit jeher gibt es hier wesentlich mehr Bewerber als zur Verfügung stehende Studienplätze. Um dem Problem Herr zu werden, gibt es neben den bekannten Zulassungsbeschränkungen wie dem Numerus Clausus auch genaue Verfahren, nach denen die Medizinischen Fakultäten ihre Kapazitäten berechnen. Kern der Problematik: „Es gibt für den vorklinischen Teil des Studiums ein höheres Studienplatzangebot als für den zweiten Studienabschnitt, den klinischen Teil“, erklärt Ulf Bade, Geschäftsführer von Hochschulstart. Für die Vorklinik ist in erster Linie die Menge an Lehrpersonal für die Berechnung der Studienplätze ausschlaggebend. In der Klinik gelten hingegen Parameter wie die Bettenanzahl in der zur Fakultät gehörigen Universitätsklinik. Die Kapazitäten der Vorklinik sind in unterschiedlichem Maße größer als die der Klinik. Die Universität Göttingen beispielsweise hat eine im Vergleich zur Klinik derart große Vorklinik, dass zwischen 30 und 50 % der Studenten Inhaber einer Teilzulassung sind. Freiwillig beschreiten die Verantwortlichen in Südniedersachsen diesen Weg nicht. „Die Universität Göttingen wurde vor vielen Jahren von der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu diesem Vorgehen verpflichtet, da die vorklinische Kapazität deutlich größer ist als die klinische Kapazität“, erläutert die heutige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Johanna Wanka.
Auch um solch enormen Unterschieden gerecht zu werden, wurden Teilstudienplätze geschaffen. Dabei sinkt die Zahl der Studenten im Verlauf eines Studiums ohnehin. Viele scheitern am Physikum, sodass sich die Menge automatisch verringert. Letztlich ausschlaggebend für die wenig beliebte Erfindung von Teilzulassungen war aber ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1981. Darin heißt es: „Das durch das Grundgesetz‚ gewährleistete Zulassungsrecht von Studienbewerbern wird verletzt, wenn ihre Anträge auf Zuteilung eines vorhandenen Studienplatzes für den vorklinischen Abschnitt des Medizinstudiums deshalb abgewiesen werden, weil die Möglichkeit eines Weiterstudiums bis zum berufsqualifizierenden Abschluß ungewiß ist‘“. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die Hochschule sämtliche zur Verfügung stehenden Studienplätze vergeben muss, die für den aktuellen Abschnitt möglich sind. Dass dabei viele Ärzte in spe nach dem Physikum ohne Zulassung dastehen, muss hingenommen werden.
Während große Teile der Politik in der Vergabe von Teilstudienplätzen keinen Missstand erkennen, bringt es der Prodekan für Studium und Lehre der Universitätsmedizin Mainz, Prof. Dr. Christian Werner, auf den Punkt: „Für die Teilstudenten ist es ein erbärmlicher Zustand, dass sie nicht wissen, wie es nach dem Physikum weitergehen soll.“ Kleiner, aber nicht unbedeutender Lichtblick: Das gesamte Teilstudium gilt für das Vergabeverfahren von Hochschulstart.de nicht als vollumfängliches Studium. Die Wartezeit wird nicht geschädigt. Somit steigt dann zumindest von Semester zu Semester die Chance auf einen Vollstudienplatz. „Medizinstudenten mit Teilzulassung sollten sich jedes Semester erneut bei Hochschulstart um einen Studienplatz bewerben“, heißt es von Seiten der Zentralen Studienberatung in Göttingen. Auch die bekannte Studienplatzklage führt häufig nur halb zum Ziel – nämlich zum Teilstudienplatz. Dennoch gibt es Hoffnung, wenn auch keine Garantie. Neben der genannten fortlaufenden Bewerbung bei Hochschulstart.de ist auch eine Direktbewerbung bei den Universitäten nicht aussichtslos. Zwar gibt es an praktisch allen Medizinischen Fakultäten massive Kapazitätsprobleme, sich aber mit bestandenem Physikum bundesweit an allen Universitäten mit Humanmedizin im Angebot zu bewerben, führt nicht selten zum Erfolg. Der Weisheit letzter Schluss kann dies freilich alles nicht sein. Insbesondere nicht, wenn die große Ruhestandswelle in den nächsten Jahren auf uns zurollt. Das Land braucht dringend medizinischen Nachwuchs. Die potenziellen Ärzte von morgen dann mit Teilstudienplätzen abzuspeisen, kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Immerhin: In Rheinland-Pfalz wurde bereits vor einigen Jahren reagiert: Im Sommersemester 2012 schaffte die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz die Teilstudienplätze wieder ab. Denn trotz allem drohenden Ärztemangel: „In eine ungewisse Zukunft sollen die Medizinstudierenden nicht mehr entlassen werden“, so das dortige Wirtschaftsministerium.