Augenarzt Dr. Mathias Roth hat ein Gerät für uns getestet, mit dem sich die Sehkraft ohne Besuch beim Facharzt messen lässt.
Vorab: Mein Interesse an opthalmologischen Gadgets, die das Smartphone zum Beispiel zur Fundus- oder Spaltlampenkamera, zum Mikroskop oder zum Sehtest umfunktionieren, ist schon lange groß. Der Markt dieser Geräte und Apps wächst zunehmend.
Spannend finde ich die neuen Möglichkeiten insbesondere vor dem Hintergrund eines Einsatzes bei einem Hausbesuch, für Klinik-Assistenten im Dienst, bei einem Konsil oder auch im Rahmen eines Hilfs-Projektes im Ausland. Allerdings hat es bisher keines der Geräte in meinen Praxis-Einsatz geschafft. Lediglich eine Smartphone-Funduskamera verwende ich gerne im Studentenunterricht.
Bereits 2017 hatte ich die Vorgänger-Version des EyeQue-Vision-Check® gekauft, war damals aber von dem Ergebnis enttäuscht. Deshalb war ich nun umso mehr gespannt, herauszufinden, was sich getan hat und ob das Gerät und seine Erweiterung Insight® (Sehtest, Testen von Farbsehen und Kontrastsehen) nun gut verwendet werden können.
Beide Geräte sind zusammen für 139 US-Dollar erhältlich. Für den Test erhielt ich über einen Aufruf ein Exemplar von DocCheck. Für meine Review nahm ich mir vor, die regulär erhobenen Refraktionsergebnisse von mindestens 3 Personen mit denen des EyeQue-Vision-Check® zu vergleichen.
Im Gegensatz zum Vorgänger fühlt sich das Gerät deutlich wertiger an. Der EyeQue-Vision-Check® ist ein Okular, welches mit einem Gummiband an einer vorbezeichneten Stelle auf dem Smartphone Display befestigt und mittels Bluetooth verbunden wird. Über zwei Knöpfe werden dann im Rahmen des Sehtests die entsprechenden Optiken angepasst, bis sich eine rote und eine grüne Linie überlagern und so in mehreren Schritten die Ziel-Refraktion ermittelt wird.
Dieses aufs Smartphone übersetzte „Glas 1 oder Glas 2?“ muss pro Test und Auge 9x durchlaufen werden. Um Brillenwerte zu erhalten, müssen mindestens drei solcher großen Tests, also insgesamt 27 kleinere Tests pro Auge erfolgen. Die ermittelten Werte und das Endergebnis aus diesen Messungen kann man anschließend auch per Mail exportieren, um damit eine Brille zu bestellen.
Die Einzelwerte der Messungen kann man sich leider nicht anzeigen lassen. So bleibt unklar, wie die finalen Werte errechnet werden, also ob es sich nur um einen Durchschnittswert handelt oder tatsächlich ein besonderer Algorithmus verwendet wird (Auszug der Website des Herstellers: „Once a consumer completes a series of eye tests, results are instantly processed via EyeQue Cloud® through powerful algorithms and appear in the form of EyeGlass Numbers with spherical, cylindrical, and axis figures“).
Um überhaupt testen zu können, muss man sich online anmelden und eine ganze Menge (möglicherweise auch kommerziell interessanter) Angaben zur Person und zum Brillen-/Kontaktlinsentrageverhalten machen. Anschließend muss das Gerät mittels Seriennummer registriert werden, erst dann kann der beschriebene Test starten.
Soweit die Theorie. In der Praxis war meine Mutter (bds. ca. -6 Dpt.) nicht in der Lage, die Balken richtig zu sehen und konnte somit keinen Test voll abschließen. Die gemessenen Werte meiner Frau (nach drei vollständigen Tests) wichen auf beiden Augen um -1 Dpt. von den kürzlich erhobenen ab (reguläre subj. Refraktion: rechts -0.00 -1.75/180°, links: +0.25 -2.00/180°; EyeQue-Vision-Check®: rechts -1.00 -1.25/2°, links: -0.75 -2.00/4°).
Als ich schließlich meine Refraktion mit dem Test erheben wollte, folgte die nächste Ernüchterung: Da die Seriennummer bereits auf einem anderen Smartphone in Verwendung war, musste ich nun 4,99 US-Dollar zahlen, um den EyeQue-Vision-Check® auch mit meinem Smartphone verwenden zu können. Trotz Zahlung und korrekter Anmeldung konnte ich den Test nicht durchführen, wurde immer wieder zur Zahlung aufgefordert. Hier habe ich aufgegeben.
Zum EyeQue Insight: Der Anmelde-Prozess ist der gleiche, ob für jeden weiteren Nutzer Kosten anfallen, habe ich hier nicht separat geprüft. Die Tests funktionieren, wobei es auch einfachere und kostenlose Apps auf dem Smartphone gibt, die sicher zu einem ähnlichen Ergebnis führen und allesamt, eben wie der EyeQue Insight®, nur Näherungswerte ausgeben. Mit einem Sehtest an einer 5-Meter-Strecke ist das sicher nicht zu vergleichen.
Im professionellen Bereich (augenärztl. Hausbesuch, für Klinik-Assistenten im Dienst, auf Konsil oder im Rahmen eines Hilfs-Projektes im Ausland) kann das Gerät definitiv nicht eingesetzt werden. Einerseits sind die Werte viel zu ungenau und die Erhebung undurchsichtig. Andererseits müsste sich jeder Patient erst einmal separat registrieren und bezahlen.
Aufgrund der hohen Ungenauigkeit kann ich auch im privaten Bereich nur von der Nutzung abraten. Bei jeder deutlichen Veränderung der Sehkraft oder Schwankungen der Brillenwerte sollte immer der Augenarzt aufgesucht werden, der dann eine exakte Brille anpassen und mögliche Veränderungen oder Erkrankungen ausschließen kann.
Text: Dr. Mathias Roth, Augenarztpraxis Hösel
Bildquelle: Sean Patrick, Pexels