„Nahezu überall wird bei chirurgischen Eingriffen nach dem Hautschnitt das Skalpell getauscht und zur weiteren Präparation ein „tiefes Messer“ eingesetzt. Wie sinnvoll ist es aus hygienischer Sicht, bei chirurgischen Eingriffen nach ordnungsgemäß durchgeführter Hautantiseptik eine Unterscheidung zwischen „Hautmesser“ und „tiefem Messer“ zu machen?“
– Frage während eines meduplus Präsenztages
Die Datenlage gestattet leider keine eindeutige Aussage. Die residente Flora wird durch die präoperative Hautantiseptik nur unvollständig eliminiert. Das betrifft insbesondere die tieferen Schichten der Haut einschließlich der Talg- und Schweißdrüsen, weil der Alkohol nicht in die Haarfollikel eindringt. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass das Skalpell bei der Durchtrennung der Haut kontaminiert wird und anhaftende Erreger in die Tiefe verschleppt werden.
Überraschenderweise war im Ergebnis einer prospektiven Studie kein signifikanter Unterschied bezüglich der SSI-Rate (SSI = Surgical Site Infections) zwischen dem Wechsel des Skalpells nach dem Hautschnitt (n=309) bzw. keinem Wechsel (n=277) nachweisbar. Nur bei einem Skalpell wurde eine Kontamination nachgewiesen (Hasselgren et al. 2008). Damit ist allerdings die Sicherheit der ursprünglichen Aufbereitung deutlich unter dem geforderten SAL von 10-6 für die Sterilisation gesunken.
Im Ergebnis einer Befragung wechselten trotz der unklaren Datenlage 65 % der Orthopäden (n=300) das Skalpell nach der Durchtrennung der Haut. Allerdings wird von den Autoren der Befragung darauf hingewiesen, dass es unklar ist, ob ein Wechsel des Skalpells bei kontaminierten Eingriffen, z. B. offene Fraktur, erfolgen sollte, zumal die dadurch entstehenden Kosten zu vernachlässigen sind (Tejwani et al. 2008).
In Anbetracht der limitierten Datenlage, der geringen Kosten bei einem Wechsel und dem wenn auch offenbar geringen Kontaminationsrisiko bei Verzicht auf einen Wechsel des Skalpells ist ein Wechsel des Skalpells solange zu empfehlen, bis durch weitere Untersuchungen die Unbedenklichkeit des Verzichts auf einen Wechsel überzeugend nachgewiesen worden ist.
– Prof. Dr. med. Axel Kramer (Mitglied der KRINKO)
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