Nach dem Mittagessen im China-Imbiss kribbelt Krystians Hals. Als Luftnot und ein starker Juckreiz dazukommen, fährt er ins Krankenhaus.
Ein Handwerker aus Polen, 46 Jahre alt – nennen wir ihn Krystian – lebt seit vier Jahren in Deutschland. Deutschkenntnisse hatte er vorher keine, aber mittlerweile kann er sich im Alltag und bei der Arbeit recht gut verständigen.
An einem Samstag aß er sein Mittagessen in einem chinesischen Imbiss, eines seiner Stammlokale. Er ist öfter hier und nimmt fast immer das gleiche Gericht. Nur war an diesem Samstag etwas anders: Sein Lieblingsgericht schmeckte nicht wie gewohnt. Es war vielleicht nur anders gewürzt, einen hungrigen Handwerker stört das nicht unbedingt.
Doch nach einer Weile fing der Hals an, zu kribbeln. Nach der halben Portion verließ Krystian irritiert das Geschäft und machte sich auf den Heimweg. Im Auto angekommen, begann seine Haut überall zu jucken, kurze Zeit später stellte sich Luftnot ein. Der Weg zum Krankenhaus war zum Glück kurz.
Dort angekommen rief er mich an und bat mit kratziger und bereits schwacher Stimme um Begleitung zwecks Übersetzung, obwohl ich gar kein Polnisch spreche. Ich sagte ihm, dass er sofort und ohne mich in die Notaufnahme müsse und machte mich auf den Weg.
Eine Viertelstunde später im Krankenhaus fand ich ihn mit roten Flecken übersät vor, schon mit Kortison und einem Antihistaminikum versorgt. Er war an einen Überwachungsmonitor angeschlossen, alles in allem gut aufgehoben. Laut Krankenpflegerin waren die Flecken bereits deutlich zurückgegangen. Krystian erholte sich und wurde einige Stunden später auf eigenen Wunsch nach Hause entlassen, mit einem Laborbefund und einem Arztbrief.
Quelle: Zoufal
Der Laborbefund war, bis auf einen leicht erhöhten HbA1c, in Ordnung. Ich riet ihm, das beim Hausarzt überprüfen zu lassen, zusammen mit dem Fettstoffwechsel. Denn zwei Jahre zuvor hatte ein Laborbefund vor einer Arthroskopie einen erhöhten Cholesterinwert ergeben, worauf der Hausarzt aber nicht hingewiesen oder reagiert hatte. Im Krankenhaus war der Cholesterinspiegel nicht bestimmt worden.
Am nächsten Tag war Krystian also bei seinem Hausarzt, der ihm ein Antihistaminikum sowie Kortison für ein paar Tage verschrieb und ihn zwecks Allergietest an einen Hautarzt überwies. Blut wurde auch abgenommen, der HbA1c wurde aber nicht angefordert, weil dieser Wert zu teuer sei.
Der Nüchternblutzucker war im oberen Normalbereich, Cholesterin mit 242 mg/dl wieder zu hoch. Die Botschaft, die Krystian mit nach Hause nahm: Er solle weniger Süßigkeiten essen, was er sowieso kaum tut (und letztendlich war die Glukosekonzentration doch normal?!). Keine Ansage, was den Fettstoffwechsel betrifft, obwohl hier eine Lebensstiländerung bei seiner Vorliebe für Fleisch, Butter, (Leber-) Wurst, Eier mit Mayonnaise und Kondensmilch vermutlich eher angezeigt wäre.
Die Nachfrage im China-Imbiss ergab keine Hinweise. Angeblich war das Essen so zubereitet worden wie immer, keine anderen Zutaten. Also zwei Monate lang Warten auf den Allergietest. Schließlich war der Tag gekommen: Eine freundliche Sprechstundenhilfe führte den Prick-Test mit Gräser- und Baumpollen, Milben-, Schimmelpilz-, Tierhaar-Extrakten und immerhin Milch und Ei aus.
Eine positive Reaktion erfolgte nur auf die Milben. Eine Anamnese wurde nicht erhoben, den Arzt sah Krystian erst nach dem Allergietest. Der erklärte ihm, dass es nicht am Essen gelegen haben könne, als Krystian ihn darauf hinwies, dass die anaphylaktische Reaktion beim Chinesen aufgetreten war.
Das wirft einige Fragen auf:
Das Fazit ist dann wohl, dass Milben im Essen gewesen sein müssen. Und zwei Ärzte haben an dem Fall verdient, ohne ein echtes Ergebnis erzielt zu haben und ihrem Patienten zu helfen. Denn für Krystian sind zwei Monate später mehr Fragen offen als zuvor:
Mangelnde Sprachkenntnisse des Patienten war wohl eine Ausrede für die Ärzte. Aber: So miserabel sind Krystians Deutschkenntnisse nicht. Wer ein Auto bei der Zulassungsstelle ohne größere Probleme anmelden kann, müsste eigentlich auch beim Arzt klarkommen, wenn der ihm mit einfachen Sätzen, langsamer Sprechweise und vielleicht einer Umschreibung schwieriger Fachwörter entgegenkommt.
Dass er mit Dialekt spricht bedeutet ja nicht, dass er auch mit Dialekt denkt. Zur Not bleibt immer noch der Google-Übersetzer, denn selbst eine schlechte Übersetzung ist immer noch besser als gar keine Kommunikation. Was meint ihr: Wie viele Immigranten mit lediglich alltagstauglichen Sprachkenntnissen arbeiten sich durch eine 18 Seiten starke deutschsprachige Broschüre?
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