BEST OF BLOGS | Das große Geschäft ihrer Kinder treibt Eltern um. Der Nachwuchs soll möglichst schnell sauber werden. Das kann für Kinder stressig sein. Die Folge: Sie landen mit Verdauungsproblemen in meiner Praxis.
Wenn, so hoffentlich, mit knapp über einem Lebensjahr die Menge an Milchmahlzeiten zurückgeht und die Kinder normale Familienkost erhalten, entwickelt sich eigentlich ein normales Verdauungsverhalten wie bei größeren Kindern und Erwachsenen. Manchmal geht es nicht so glatt. In diesen Fällen sitzen mir diese Kinder früher oder später im Sprechzimmer gegenüber.
Beginnen wir mit dem Thema Fläschchen. Viele Ein- bis Zweijährige bekommen noch Flaschenmilchen angeboten, die sie gerne trinken. Dadurch bleibt der Stuhl recht dünn oder breiig – das Verhältnis flüssiger zu fester Nahrung liegt auf Seiten der flüssigen. Milchprodukte werden schlechter verdaut, nicht umsonst stehen sie in der Ernährungspyramide der Empfehlungen sehr weit oben. Der Darm wird träge, reagiert oft mit Blähungen, manchmal auch mit Stuhlverhalt.
Außerdem: Überzogen verfrühte Sauberkeitshoffnungen der Eltern lassen die Kleinkinder oft „klemmen“ – also kein bequemes Defäkieren in die Auffangwindel, sondern unbequemes Sitzen auf der kalten Klobrille mit hängenden Beinchen, wie auf dem Donnerbalken. So der Wunsch der Eltern. Folge: Verstopfung.
Setzt ein Kleinkind mal zwei bis drei Tage keinen Stuhlgang ab, droht die Faeces buchstäblich einzutrocknen, da der Dickdarm weiter und weiter Wasser entzieht. Die Stühle verhärten sich, runden sich, aus Würsten werden Golfbälle, schließlich Hasenköttel. Das tut weh auf dem Klo, der Stuhlgang wird kopfgesteuert herausgezögert, er verbleibt noch länger im Colon, der Teufelskreis ist da.
Moderne orale Abführmittel zum Stuhlregulieren wie Makrogol können jetzt Abhilfe schaffen, Klysmen rektal sind zu vermeiden oder ganz selten für den Notfall einzusetzen. Vorher wurde meist alles versucht: Ballaststoffe, Dörrpflaumen, Apfelsaft. Der wichtigste Schlüssel ist jedoch die entspannte Haltung der Eltern, das Sauberwerden als natürlichen Vorgang zu verstehen, der letztendlich alleine vonstatten geht.
Bleiben die großen Kinder übrig. Verändern wird sich der Stuhl nicht mehr viel, wie noch in den ersten Jahren der Kindheit, die Ernährung sollte „ausgeglichen gesunde, ballaststoffreiche Familienkost“ sein, der Darm muss sich nicht mehr neu aufstellen.
Irritiert wird er eventuell von Infektionen, bei denen meist Viren, eher selten Bakterien (wie Salmonellen), zu einer erhöhten Darmbewegung, einer schnelleren Darmpassage mit vermehrter Flüssigkeitssekretion führen. Sprich: Das Kind hat Dünnpfiff, Durchfall, Diarrhoe. Die Balance der „guten“ Darmbakterien kommt aus dem Gleichgewicht, Gärungsprozesse und vermehrte Ausscheidung von Gallensäuren produzieren Luft, Gestank und hellbraune bis entfärbte Stühle. Letztendlich ist das ein natürlicher Vorgang: Der Körper will sich möglichst schnell der Giftstoffe entledigen.
Leider geht dabei auch Flüssigkeit verloren, die es zu ersetzen gilt. Ein Bremsen der Darmpassagen durch Mittelchen mit dem Wirkstoff Loperamid haben in der Kindheit nichts verloren und dürfen Fesselballonfahrer für sich behalten. Besser sind da Ersatzmedikamente mit Hefepilze oder Milchsäurebakterien. „Aufsaugend“ wirkt auch der gute alte „geriebene Apfel“, den schon unsere Oma empfahl.
Stuhlgang ist ein Faszinosum in der kinderärztlichen Sprechstunde: Neben Husten und Schnupfen gibt es kaum etwas, was häufiger zur Sprache kommt. Konsistenz und Farbe sind im Säuglings- und Kleinkindalter sehr variabel, der Schritt zum Pathologischen eher groß. Blut darf nicht sein – keine Frage – und die Flüssigkeitsbilanz muss positiv sein. Wenn das gegeben ist, kann schon nicht mehr so viel passieren.
Im Zweifelsfall schaue ich mir aber natürlich immer unfassbar gerne Handyfotos an oder werfe einen Blick hinein, wenn der Satz „Ich habe Ihnen mal eine volle Windel mitgebracht“ fällt. Kein Problem.
Bildquelle: Cristina Anne Costello, unsplash