Der Hype um die Reise ins Ich reißt nicht ab. Auch in der Medizin interessiert man sich für die positive Wirkung der Meditation auf den Körper. Dass Meditieren nicht allen Menschen gut tut, zeigt eine aktuelle Studie.
Natürlich ist Meditieren keine neue Erfindung, sondern möglicherweise so alt wie der Mensch selbst. Trotzdem: Das Thema erfährt mehr Aufmerksamkeit, weil Themen wie Achtsamkeit und Entschleunigung zum Zeitgeist passen. Auch in der Medizin interessiert man sich seit langem für die verschiedensten spirituellen Entspannungstechniken. Experten erklären, warum Meditation zwar wohltuend, aber kein Allheilmittel ist – und wer vom Meditieren die Finger lassen sollte.
Bei Meditation und vielen Achtsamkeitsübungen geht es darum, einen anderen Bewusstseinszustand zu erreichen. Innere Vorgänge wie Gefühle, Gedanken oder körperliche Empfindungen werden achtsam und konzentriert wahrgenommen. Dazu werden unterschiedliche Techniken eingesetzt. Das Ziel: Tiefenentspannung und innere Ausgeglichenheit.
Dass sich Meditation positiv auf das allgemeine Wohlbefinden auswirken kann, steht außer Frage. Wie sehr Meditieren Einfluss auf die körperliche Gesundheit von kranken Menschen hat, lässt sich nicht so leicht beantworten. Arbeiten zum positiven Effekt von Meditation auf die körperliche und psychische Gesundheit gibt es wie Sand am Meer.
In der Medizin wird Meditation mit einer Senkung des Blutdrucks, Reduktion der Muskelanspannung und einer Stressreduktion bzw. Burn-Out-Prophylaxe in Verbindung gebracht. Die Evidenzlage über den tatsächlichen Nutzen und dessen Ausmaß ist allerdings fragil. Und doch entsteht schnell der Eindruck, Meditation könne alles, wenn man im Internet recherchiert. So gibt es unzählige Videos, in denen kranken Menschen versprochen wird, durch das Meditieren zum Beispiel Schmerzen zu eliminieren:
Suchergebnis für Meditation und Schmerzen auf Youtube
Ein Forscherteam um Marco Schlosser vom University College London dreht nun den Spieß um. Gemeinsam untersuchten sie mögliche negative Folgen des Meditierens und befragten im Rahmen einer Studie circa 1.200 Menschen, die regelmäßig meditierten. Von den Teilnehmern wollten die Forscher wissen, ob sie bereits „ausdrücklich unangenehme“ Zustände durch die Meditation erlebt hatten.
Als Beispiele nannten sie unter anderem Angst, Unruhe, verzerrte Gefühle oder Gedanken, veränderte Wahrnehmung des Selbst oder der Welt. Viele bestätigten: Etwa ein Viertel der Befragten hatte bereits solche Erfahrungen während oder kurz nach der Meditation gemacht. Warum das so ist?
Die Autoren erklären das folgendermaßen: Es gebe bestimmte dekonstruktive Praktiken, die „unsere Sicht auf die Dinge elementar herausfordern können.“ Diese ermutigen Meditierende beispielsweise, „ ihre Aufmerksamkeit während der Meditation bewusst auf die vergängliche, unbefriedigende und unpersönliche Natur von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen lenken.“ Zu Angst kann es laut der Autoren kommen, wenn sich die Meditierenden ihr Selbstgefühl als etwas vom Körper Getrenntes vorstellen sollen. Dies „kann mit ausdrücklich unangenehmen meditationsbedingten Erfahrungen assoziiert sein“, lautet das Fazit.
Ihre Ergebnisse sehen Schlosser et al. nicht als Beweis gegen den Nutzen von Meditation. Aber sie sei differenziert zu betrachten, betonen sie. Ein ähnliches Fazit wird auch in einer Review gezogen, die 2018 publiziert wurde. Darin tragen 15 internationale Forscher zusammen, was sie am vermittelten Bild der Meditation in Forschung und Medien stört. Die Experten wollen vor allem vor dem unreflektierten Einsatz von Achtsamkeittechniken warnen.
Welche Erfahrungen habt ihr als Ärzte mit der Meditation gemacht? Wo ist sie eurer Meinung nach gut einsetzbar und für welche Anwendungsgebiete ist sie ungeeignet? Was berichten euch Patienten, die regelmäßig meditieren? Wir sind gespannt auf eure Meinung in den Kommentaren oder per Mail an feedback_news@doccheck.com.
Bildquelle: JD Mason, unsplash