Das Darmmikrobiom spielt eine wichtige Rolle bei der Nahrungsverarbeitung und hat somit direkten Einfluss auf den Stoffwechsel des Menschen. In einer Arbeit weist ein Kieler Forschungsteam nun Veränderungen des Mikrobioms nach, die mit Übergewicht und Typ-2-Diabetes zusammenhängen.
„Da Typ-2-Diabetes meistens mit Übergewicht zusammen auftritt, ist es schwierig zu unterscheiden, welche Veränderungen der Darmbakterien spezifisch nur für Typ-2-Diabetes sind und welche für das Übergewicht“, erklärt Professor Andre Franke, Direktor am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Medizinischen Fakultät an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) die Ausgangslage. In enger Zusammenarbeit mit Professor Curtis Huttenhower von der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston hat sich das Team um Franke daher gezielt dieser Fragestellung angenommen.
Dazu haben sie das Darmmikrobiom aus 1.280 Stuhlproben bestimmt. Diese stammen aus sogenannten Kohortenstudien, in denen von zahlreichen Probanden über längere Zeiträume regelmäßig Bioproben, etwa aus Stuhl, Urin und Blut, sowie Informationen über ihren Lebensstil, Krankheiten und Medikamenteneinnahme gesammelt wurden. Das Team um Franke hat für die aktuelle Forschungsarbeit daraus gezielt Probanden aus drei Gruppen ausgewählt: normalgewichtige Menschen, übergewichtige Menschen und übergewichtige Menschen mit Typ-2-Diabetes.
Die Untersuchungen zeigen, dass das Mikrobiom bei den übergewichtigen Personen – sowohl mit als auch ohne Typ-2-Diabetes – gegenüber den normalgewichtigen deutlich verändert ist. Der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Typ-2-Diabetes war dabei relativ gering. „Die bisher beobachtete deutliche Verringerung der Artenvielfalt der Darmbakterien hängt bei diesen Menschen also vor allem mit dem Übergewicht und weniger mit dem Diabetes zusammen,“ erklärt die Erstautorin der Veröffentlichung, die Dänin Louise Thingholm vom IKMB in Kiel.
Zusätzlich hat das Team mithilfe der Kohorten untersucht, welchen Einfluss regelmäßig eingenommene Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel auf das Darmmikrobiom haben. Ihr Ergebnis: Sowohl Medikamente wie Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Antidepressiva und Antidiabetika, als auch Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium, Vitamine, Calcium und vor allem Eisen verändern das Darmmikrobiom merklich. „Solche Stoffe, von denen sich viele Menschen eine gesundheitsfördernde Wirkung erhoffen, verändern unsere Darmbakterien. Damit beeinflussen sie auch, wie wir unsere Nahrung verarbeiten und könnten möglicherweise auch eine Rolle bei Stoffwechselerkrankungen spielen“, so Franke.
Sowohl das Übergewicht, als auch mögliche Medikamenteneinnahmen beeinflussen also die Darmbakterien von Patienten mit Typ-2-Diabetes. Mit bioinformatischen Methoden hat das Forschungsteam die beobachteten Mikrobiomveränderungen bei den Menschen mit Typ-2-Diabetes um diesen Einfluss korrigiert. So konnten sie einzelne Bakterienarten identifizieren, die spezifisch bei Typ-2-Diabetikern stärker vertreten sind.
„Wenn wir genauer verstehen, was diese Veränderungen im Mikrobiom konkret bewirken und welche Bakterien hier die wichtigen Akteure sind, dann können wir da in Zukunft gezielt angreifen und so die jeweilige Krankheit oder vielleicht auch ihre Entstehung beeinflussen“, erklärt Franke. „Aktuell bemühen wir uns um weitere Fördermittel, um in einem eigenständigen Forschungsprojekt im Mikrobiom gezielt nach therapeutischen Ansatzpunkten für Stoffwechselerkrankungen zu suchen. Das Mikrobiom ist besonders interessant, weil wir es deutlich einfacher beeinflussen können, als etwa das eigene Erbgut.“
Der Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen (PMI)
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