Die Kundin ist genervt. Warum löchert die Apothekerin sie mit Fragen? Sie will doch nur ein Mittel gegen ihren Durchfall haben.
Die Kundin vor dem HV-Tisch wirkt genervt und verärgert. Eigentlich wollte sie nur schnell in die Apotheke gehen und sich ein Medikament gegen Durchfall holen. Die vielen Fragen, die die Apothekerin ihr stellt, hat sie nicht erwartet. Und auch nicht, dass sie sogar zum Arzt weitergeschickt wird und man ihr nicht mal was verkauft hat, versteht sie nicht ganz. Es ist doch nur ein einfacher Durchfall mit etwas erhöhter Temperatur, oder?
Durchfallerkrankungen gehören zu den häufigsten Beratungsthemen in den Apotheken. Unser Darm reagiert auf verschiedenste Trigger mit diesem Symptom, das keine eigenständige Erkrankung darstellt. Es gilt daher immer, die Eigendiagnose des Patienten zu hinterfragen, denn so manche Grunderkrankung gehört zur Behandlung in die Hände eines Arztes.
Ein Alarmzeichen, das eine weitere Eigenbehandlung durch den Patienten ausschließt, ist beispielsweise ein Wechsel von Diarrhoe und Obstipation. Auch der Verdacht auf eine Vergiftung oder Infektion sollte genau so ärztlich abgeklärt werden wie kolikartige Schmerzen, starke Krämpfe und erhöhte Körpertemperatur über 39 Grad Celsius.
Auch bei einer Gewichtsabnahme über 5 % des Körpergewichts oder blutigem und schleimigen Stuhl sind die Grenzen der Selbstmedikation erreicht. Ist das alles nicht der Fall und ist der Patient weder hochbetagt noch ein Säugling, kann die Auswahl des geeigneten Präparates beginnen.
Hier wird in der aktuellen S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Erkrankungen und Morbus Whipple“ vor allem Loperamid als Motilitätshemmer bei kurz andauernden und unkomplizierten Beschwerden empfohlen. Laut Studienlage verkürztr die Einnahme dieses Wirkstoffes die Dauer der Erkrankung im Schnitt um 48 Stunden und verringertr die Häufigkeit der Stuhlgänge um 1-2 Entleerungen pro Tag.
Präparate mit Mikroorganismen dagegen wurden von den Autoren dieser Leitlinie nicht empfohlen. Sie empfanden die Studienlage aufgrund der Verwendung verschiedener Bakterienstämme und der geringen Anzahl erwachsener Probanden als zu heterogen.
Die Leitlinie selbst wurde am 07.08.2018 bis zum 30.01.2020 verlängert. Sie stuft den Wirkstoff Racecadotril bei akuten Durchfällen als vergleichbar gut wirksam wie Loperamid ein. In die Empfehlung bei akuten Reisedurchfällen wurde der Wirkstoff in der deutschen Leitlinie allerdings nicht aufgenommen.
Hier kommen wir auch zu dem Grund, der die Apothekerin in unserem Beispiel dazu brachte, die Kundin an einen Arzt zu verweisen. Es handelte sich um eine Urlaubsrückkehrerin aus einem subtropischen Urlaubsort. Dort existieren zahlreiche Grunderkrankungen, die das Symptom eines Durchfalls beinhalten. Viele davon sind ärztlich behandlungsbedürftig.
Dazu gehören Salmonellen oder Bakterien wie ETEC, Shigellen, und, wenn auch extrem selten, Erreger der Cholera. Ebenso kann nach einer Infektion mit Malaria oder Typhus eine Diarrhoe auftreten. Rota- und Noroviren, mit die häufigsten Erreger einer behandlungsbedürftigen Durchfallerkrankung, finden sich nahezu in allen Ländern der Welt.
Auch parasitäre Souvenirs wie Giardien (Lamblien) oder Kryptosporidien rufen unter anderem Durchfälle hervor. Die Ansteckung erfolgt über verunreinigtes Trinkwasser oder Schwimmen in Süßwasserseen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) nennt in seinem aktuellen Jahresbericht für 2018 alleine 3.411 Fälle von Giardiasis. Der Dünndarmparasit Giardia lamblia ist weltweit verbreitet und kann lange Jahre unerkannt im Körper leben. Dabei infizierten sich 55 % der Betroffenen im Ausland.
Mit Kryptosporidien dagegen stecken sich die meisten Deutschen im Heimatland an. Der größte Ausbruch war im letzten Jahr mit 28 Fällen in einer Kindertagesstätte zu verzeichnen. Die Kinder hatten bei einem Ausflug infizierte Kälber gestreichelt.
Shigelleninfektionen waren 2018, nach einer deutlichen Abnahme im vergangenen Jahrzehnt, wieder häufiger anzutreffen. Reiseländer, die hier am häufigsten als Ursprung der Erkrankung genannt werden, sind Ägypten, Indien und Marokko. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Melderate um 54 % an – so stark, wie seit dem Jahr 2011 nicht mehr.
Das erklärt die vorsichtige Herangehensweise der Apothekerin an dieses nur auf den ersten Blick banale Symptom Durchfall. In den weitaus meisten Fälle ist aber eine Selbstmedikation möglich. Durch sinnvolle Fragestellungen sollte jedoch die Personengruppe eruiert werden, die zur Abklärung einen Arzt aufsuchen muss. Eine Auslandsreise sollte daher bis zu drei Monate vor Beginn der Durchfallsymptomatik ausgeschlossen werden, um sie ohne ärztliche Unterstützung zu behandeln.
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